Fabeln von der Medienkompetenz

Autor: Gerd Raudenbusch
Stand: 30.11.2025

Die Gewalt liegt nie im Medium, sondern in seiner Benutzung, wenn das Medium selbst nicht gewaltsam ist.

Schlupfwespen

Memes, Nachrichten und Indoktrinationen, die sich übergriffig verbreiten, agieren wie Schlupfwespen: Sie wirken nicht neutral, sondern benutzen und transformieren ihren Wirt, indem sie sich tief in dessen Strukturen einnisten und eigene „Nachkommen“ hervorbringen, während sie möglicherweise das ursprüngliche Denken zerstören oder modifizieren.¹ ² ³ ⁴

Schlupfwespen legen ihre Eier in einen Wirt. Die Larven nutzen das Immunsystem des Wirts gezielt aus, schwächen ihn teilweise sogar durch von der Wespe eingebrachte Viren, und fressen ihn von innen heraus auf. Der Ausgang ist nicht Leben mit dem Parasiten, sondern der vollständige „Umbau“ oder gar Tod des Wirts.⁵ ⁶ ⁷ ⁸
Memes, Narrative oder Indoktrinationen funktionieren ähnlich: Sie nutzen Schwachstellen (zum Beispiel emotionale Bedürftigkeit, Unsicherheit oder mangelnde Resilienz) eines Individuums oder Systems als Eintrittspforte. Dort pflanzen sie eigene Gedankengänge und Überzeugungen ein, vermehren sich durch Wiederholung und Nachahmung, und können die ursprünglichen Ansichten und Denkweisen des Individuums verdrängen oder „auffressen“.⁹
Der verletzende, übergriffige Aspekt entsteht, sobald diese Meme nicht respektvoll mit bestehender „psychischer Immunabwehr“ umgehen, sondern diese umgehen oder gezielt schwächen, wie das die Schlupfwespenlarve mit ihren viralen Helfern beim Wirtstier tut.¹⁰ ¹¹
Es geht um die Grenzüberschreitung: Wenn ein Meme – wie Indoktrination oder suggestive Nachrichten – nicht nur informiert, sondern das Denksystem aktiv besetzt, schwächt es die eigene Urteilsfähigkeit und lässt kaum Raum zur Abwehr.
Die Vermehrung folgt parasitär: Ein einmal eingepflanztes Meme nutzt den Wirt (z. B. ein Individuum oder eine Community) für seine eigene Ausbreitung. Es bringt oft eigene Abwehrmechanismen mit (wie Immunisierung gegen Kritik durch Emotionalisierung oder Ablehnung von Alternativen).
Wie bei der Schlupfwespe wird der ursprüngliche „Organismus“ (das System, die Überzeugung, das Weltbild) von innen umgebaut oder ausgelöscht.

Bienen

„Ching Chang Chung, Chinese sei nicht dumm. Chinese in die Ecke scheißen, Bienen um die Scheiße kreisen.“

Der bekannte Witz erzählt von drei Menschen, die eine Mutprobe wagen, indem sie in einen Bienenstock steigen. Während zwei nach kurzer Zeit und vielen Stichen fluchtartig das Weite suchen, bleibt der Chinese lange im Bienenstock und kommt völlig unversehrt wieder heraus. Seine Erklärung: Er hat einfach in der Ecke sein Revier markiert, wodurch er die Aufmerksamkeit der Bienen umgelenkt hat.

Diese skurrile Szene lässt sich verblüffend produktiv als Metapher für Medienkompetenz verwenden. Wer Medienkompetenz besitzt, begnügt sich nicht mit passivem Konsum, sondern erkennt die Funktionsweisen und Eigenheiten medialer Angebote. Während viele sich von negativ-bias-behafteten, haltungsorientierten Medien direkt „stechen“ lassen – wie von Bienen in ihrer Aggression – geht der medienkompetente Mensch strategisch vor, analysiert, lenkt seine Aufmerksamkeit und markiert für sich selbst „sichere Zonen“ im Informationsfluss und entscheidet selbst, was für ihn wichtig ist.¹² ¹³

Dieses Bild geht noch tiefer, wenn man es mit biologischen und entwicklungspsychologischen Zusammenhängen verbindet: In der Tierwelt markieren viele Arten mit Kot und Urin ihr Revier. Diese Form der Kommunikation ermöglicht nicht nur die Abgrenzung, sondern auch die Vermittlung von Status, Identität und Paarungsbereitschaft. Die markierte Stelle wird zum Informationszentrum und zeigt anderen Tieren, worauf sie achten oder was sie lieber meiden sollen.¹⁴ ¹⁵

Auch die menschliche Entwicklung spiegelt dieses Prinzip wider: In der frühkindlichen Sexualentwicklung – der sogenannten analen Phase – lernen Kinder das Festhalten und Loslassen. Die bewusste Kontrolle über Ausscheidungen und der Umgang mit dem „auf den Topf gehen“ markieren einen ersten Schritt zu Selbstbestimmung, zur Einflussnahme auf die Umwelt und letztlich zum Aufbau von Autonomie.

In dieser Perspektive verbindet der Witz die Strategien des Überlebens und der Kommunikation aus der Tierwelt mit den psychologischen Grundlagen menschlicher Entwicklung und der Notwendigkeit zur medienkompetenten Selbststeuerung. Die Pointe verdeutlicht: Wer versteht, wie Reviermarkierung („in die Ecke scheißen“) als Kommunikationsmittel funktioniert, kann auch in komplexen Medienumgebungen Wege finden, die eigene Souveränität zu behaupten – und bleibt so vor den „Stichen“ voreingenommener oder manipulierender Medien geschützt.¹⁶ ¹⁷

Auch die Metapher der Reviermarkierung reflektiert noch weiter: Menschen werden durch haltungsjournalistische Medien mit Negativ-Biasen instrumentalisiert, indem diese Medienhäuser in die „Ecke scheißen“ — das heißt, sie platzieren gezielt negative, emotional aufgeladene und manipulative Inhalte in der öffentlichen Wahrnehmung, ähnlich wie im Witz der Chinese sein Revier mit Kot markiert und so die Aufmerksamkeit der Bienen ablenkt. Diese Medien bedienen sich Sensationsmeldungen, Angstschürung und Übertreibungen, wodurch sie die Aufmerksamkeit der Menschen fesseln und deren Wahrnehmung verzerren. Dabei verwandeln sie die Rezipienten faktisch in „Bienen“, die unbewusst um diese „negativen Markierungen“ kreisen und sich von ihnen emotional und kognitiv beeinflussen und manipulieren lassen.

Doch das eigene Bewusstsein ist nicht ein beliebig zugängliches „Haus“, in das jede Nachricht ohne Kontrolle hineindringen muss. Man muss sich nicht von jedem Nachrichtenkanal oder jeder medialen Quelle „in die eigene Ecke scheißen lassen“, sondern kann sich allen Ernstes fragen, ob es das eigene Leben überhaupt bereichert und ein besseres Gefühl vermittelt. So wird die Verantwortung eines jeden Menschen deutlich, kritisch zu wählen und zu steuern, welchen Inhalten und Einflüssen man Raum gibt, um die eigene innere Balance im Leben zu bewahren. Medienkompetent zu sein heißt, aktiv filtern, hinterfragen und steuern statt passiv zu konsumieren und emotional gesteuert mitzulaufen.¹⁸ ¹⁹ ²⁰

So ist es möglich, sich vor der Instrumentalisierung durch Negativ-Bias-Medien zu schützen und das eigene „Haus“ – das eigene Bewusstsein – sauber und handlungsfähig zu halten.

Bienen lieben Scheiße nicht

In der Hauptrollen:

Scheiße als medialer Gedankenmüll mit Negativ-Bias
Bienen: Medienkonsumenten, die sich nicht mehr von Honig ernähren
Du: Haltungsjournalistische Nachrichtenquelle

Ob Bienen wirklich Scheiße lieben,
und Du den Honig erntest,
ich hätt' sie ihnen – NICHT –
in ihre Augen eingerieben,
weil Du nur schmerzlich lerntest:
Wer Scheiße sät, der erntet sie,
und dies verbessert Übel nie.
Die Speisung von Unmenschlichkeiten,
wird Menschlichkeit nicht exorzieren,
wo Dir nichts andres übrig bleiben
wird, als Deinen Hass verlieren,
weil sonst nur noch ihr Dorn Dich sticht,
und Du an ihrem Zorn zerbrichst,
denn – Bienen lieben Scheiße nicht.

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