Eine Beleuchtung der Pornografie
Autor : Gerd Raudenbusch
Stand : 19.07.2025
Unzweifelhaft offensichtlich ist die Sexualität ein erfolgreiches Prinzip der evolutionären Fortpflanzung des Menschen. Und der Umstand, dass die Fortpflanzung sich nicht zur Pflicht der Sexualität im Sinne einer unumstößlichen Konsequenz entwickelt hat, ist im Lichte selbstregulierender Prozesse und des komplexen Systems "Erde" weit mehr, als nur ein bloßer Zufall. Spielerisch lernt und erkennt der Mensch durch Beobachten, Imitieren und Reflektieren. Dazu gehört auch, dass er sich in seinen Selbstdarstellungen immer wieder wiederfindet, die er mithin zu erhabenen Künsten perfektioniert hat.
Dass die Pornografie ungeachtet ihres Daseins als Industrieprodukt als eine solche Selbstdarstellung oft mit einem generellen Vorurteil als minderwertig und abfällig, als sittenlos und geschmacklos angesehen wird, dies wird dem Menschen und seiner Sexualität, aufgrund derer die Pornografie überhaupt existiert und sich ihrer Beliebtheit erfreut, kaum gerecht.
Im ihrem Eigentlichen Sinne ist Pornografie lediglich die Darstellung menschlicher Sexualität oder sexueller Handlungen, die ausdrücklich darauf abzielt, den Betrachter sexuell zu erregen. Dabei werden sexuelle Vorgänge oft in aufdringlicher, detaillierter und unverfälschter Weise gezeigt, wobei der Mensch häufig auf ein sexuelles Objekt reduziert wird. Diese Darstellungen fokussieren im Unterschied zur Erotik weniger auf Andeutungen und mehr auf explizite, genaue Abbildungen, insbesondere von Genitalien und Sexualakten.
Erwin J. Haeberle schrieb bereits 1978 in seiner Arbeit "Die Sexualität des Menschen" :
»In den fünfziger Jahren führte die Zwangsidee von einer kommunistischen und homosexuellen Verschwörung („Homintern") zu einer Welle repressiver Gesetzgebungen gegen Homosexuelle. Selbst in den siebziger Jahren wurden immer neue Anstrengungen unternommen, „Pornographie" zu beseitigen und Prostitution zu beenden, indem man die Kunden der Prostituierten verhaftete.
Die Erfahrung lehrt jedoch, dass solche moralischen Kreuzzüge noch nie den gewünschten Erfolg hatten und dass sie die Dinge wahrscheinlich nur schlimmer machen.
[...]
Der derzeitige „Krieg gegen Pornographie" verursacht Verluste enormer Summen von Steuergeldern, indem in juristisch eher fragwürdigen Verfahren diejenigen Verleger angeklagt werden, deren Produkte Millionen Leser regelmäßig kaufen. Diese Leser werden gleichzeitig die Opfer einer immer größeren Anzahl von Gewaltverbrechen.«
Weil das Männerbild in pornografischen Darstellungen insgesamt zu dominant erschien, weil die Pornoindustrie stets fragwürdige Stereotypen etablierte und weil Sexarbeit traurigerweise manchmal sogar mit Armut und Menschenhandel in Verbindung gebracht werden konnte, diese gesellschaftliche Rohheit kann der Pornografie nicht ihre Grundlage entziehen. Denn falsche Grundlagen führen zu falschen Erkenntnissen. So hat die Pornografie im Gegenteil als Fenster und Spiegel in die lendlichen Angelegenheiten der Menschheit diese Rohheiten sogar ans Licht gebracht, und es wäre ein kurzsichtiges und undifferenziertes Generalurteil, sie in ihrer schlichten Form als Darstellung zwischenmenschlicher Akte für diese Rohheiten zur Verantwortung zu ziehen.
Bis heute kompensiert Pornografie - befreit von sozialen Verpflichtungen - Defizite sexueller Befürfnisse, die sich in persönlichen Beziehungen aus verschiedensten Gründen nicht erfüllen. Und daß Sexualität ein menschliches Grundbedürfnis ist, daran besteht in heutiger Zeit kein ernstzunehmender Zweifel mehr.
Inhalt
- Ästhetik der Körperlichkeit
- Das sexuelle Objekt
- Gesundheit und Sexualität
- Pornografie und Gesundheit
- Pornografie als Industrie
- Kritik der sexuellen Repression
- Pornografie und Beziehung
Ästhetik der Körperlichkeit
Nicht nur beim Aktzeichnen kommt die Frage auf: Warum kann uns bereits der Eidos eines menschlichen Körpers eine erotische Spannung und Schönheitsempfindungen verspüren lassen ?
Bereits im 1. Jahrhundert v. Chr. hat der Architekt und Ingenieur Vitruv seine Gedanken zu den menschlichen Proportionen geäußert. In seiner Theorie des wohlgeformten Menschen formuliert er zum Beispiel :
»Ferner ist natürlicherweise der Mittelpunkt des Körpers der Nabel. Liegt nämlich ein Mensch mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Rücken, und setzt man die Zirkelspitze an der Stelle des Nabels ein und schlägt einen Kreis, dann werden von dem Kreis die Fingerspitzen beider Hände und die Zehenspitzen berührt. Ebenso, wie sich am Körper ein Kreis ergibt, wird sich auch die Figur eines Quadrats an ihm finden. Wenn man nämlich von den Fußsohlen bis zum Scheitel Maß nimmt und wendet dieses Maß auf die ausgestreckten Hände an, so wird sich die gleiche Breite und Höhe ergeben, wie bei Flächen, die nach dem Winkelmaß quadratisch angelegt sind.«
Nach dieser Beschreibung stellt Leonardo Da Vinci in seinem bekannten Werk "Vitruvianischer Mensch" einen Mann dar :
Jedoch alleine die Vermessung des menschlichen Körpers scheint eine noch unzureichende Grundlage für die Ästhetik der menschlichen Körperlichkeit zu sein, da sie die evolutionären Aspekte, die Charles Darwin erst rund 300 Jahre später entdeckte, völlig außer Acht lässt.
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Zur äußeren Schönheit zählen evolutionsbedingt die Zeichen der Gesundheit und Fitness : Rosige Hautfarbe, straffe Gesäßmuskeln, Körper und Gesicht ohne amorphe, verkrüppelte Strukturen, ohne Zeichen ungenügender Ernährung.
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Die Schönheit des Bewegungsbewußtseins eines Menschen zeigt sich in seinen Bewegungen; daran, ob er unbeholfen und benommen torkelt, trampelt, oder trottet, oder ob er "tanzen" kann.
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Körperbewußtsein allein ist kein Bewegungsbewußtsein.
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Das Bewegungsbewußtsein ist von der äußeren Schönheit nur bedingt abhängig.
Prämissen zur ästhetischen Reflexion
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Selbstbeobachtung verbindet das tatsächliche eigene Aussehen und Verhalten mit der eigenen Vorstellung davon, wie man aussieht und sich verhält (Selbstbild und Selbstwahrnehmung)
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Die Beobachtung von sich zusammen mit Anderen verbindet, wie Andere einem wirklich sehen (Fremdbild) mit der eigenen Vorstellung davon, wie man von anderen gesehen wird
Ästhetische Reflexion
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Das Erleben der eigenen äußeren Erscheinung kann entweder glücklich sein, oder zur Änderung der äußeren Erscheinung oder zur Änderung des Selbstbildes geführt werden.
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Das Erleben des eigenen Verhaltens kann entweder glücklich sein, oder zur Änderung des Verhaltens oder zur Änderung der Selbstwahrnehmung gegenüber dem eigenen Verhalten geführt werden. Paul Valéry: "Der handelt nicht, dem nichts fehlt."; Heinz von Foerster : "Ästhetischer Imperativ : Willst du erkennen, lerne zu handeln."
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Alle Entscheidung darüber, ob die eigene Perspektive oder das Bewegungsbewußtsein oder das äußere Aussehen verändert werden, liegt in der Symbiose einfacher Formen von von Schau- und Zeigelust. Den Satz "Du erblickst mich nie da, wo ich dich sehe" von Jacques Lacan kann durchaus als unauflösbare Spannung zwischen subjektivem Bewusstsein und objektivem Begreifen verstanden werden, die aller Erotik zugrunde liegt.
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Die Lust entspringt dem, wie sehr das Wahrnehmende mit dem Wahrgenommenen harmoniert, entweder durch seine Ergänzung oder durch sein Wiederfinden.
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Vertrauen zu einer Form führt zu einer Form des Vertrauens. Jeder Körper ist eine solche Form.
Doppelte Reflexion
Die Beobachtung der Beobachtung führt während der Änderung innerer Perspektiven oder Verhaltensweisen zu Affektiertheiten, solange, bis die Perspektive oder das Verhalten nicht mehr künstlich herbeigeführt werden muss.
Arthur Schopenhauer schreibt in Parerga und Paralipomena :
»Das Affektieren irgendeiner Eigenschaft, das Sichbrüsten damit ist ein Selbstgeständnis, daß man sie nicht hat.«
Dies ist nur so lange der Fall, bis das Interesse an der Beobachtung der Beobachtung dadurch verloren geht, daß das Wesen seinen Vorstellungen ausreichend entspricht und völlig selbstvergessen so ist, wie es sein will, ohne darüber nachdenken zu müssen.
Im Bewusstsein über die Mechanismen des Selbstbildens obliegt jedem die freie Wahl darüber, ob und wie sehr die Selbstwahrnehmung von pornografischen Inhalten beeinflusst werden soll.
Das sexuelle Objekt
Wenn die Lust am sexuellen Objektstatus in der reinen Reduktion auf körperliche Merkmale mündet (sexuelle Objektifizierung), besteht die Gefahr, dass der Mensch nicht als ganze Person wahrgenommen wird. Dies verstärkt die Subjekt-Objekt-Spaltung, da ohne die Liebe und Hingabe dabei die Geltung des inneren, subjektiven Reichtums fehlt und stattdessen nur noch eine „äußere Hülle" zum primären Bezugspunkt wird. Eine solche Reduktion kann sich auch dysfunktional auswirken, da sie die Angst vor Zurückweisung oder Entwertung fördert.
Das Gefühl des Begehrens oder Begehrtwerdens als sexuelles Objekt spiegelt vor allem den Wunsch wider, in der äußeren, sozialen Welt „gesehen“ und „angenommen“ zu werden. Dies kann ein Gefühl von Zugehörigkeit und sozialer Akzeptanz vermitteln. Es ist eine Form der Bestätigung, die aus der Interaktion mit der Außenwelt resultiert.
Die Subjekt-Objekt-Spaltung beschreibt die Trennung zwischen dem Erleben des Körpers als Subjekt – also dem inneren, bewussten Empfinden, Fühlen und Agieren – und der Wahrnehmung des Körpers als Objekt – das heißt, den Körper als Gegenstand von Betrachtung, Bewertung oder gar Entfremdung zu sehen. Die menschliche Erfahrung der körperlichen Wahrnehmung sowohl als Subjekt (als handelndes, wahrnehmendes Selbst) als auch als Objekt ist zentral für das Selbstbewusstsein: Wir sind uns unseres Körpers nicht nur von innen bewusst, sondern können ihn auch von außen betrachten und reflektieren.
Als Spaltung wird dies wahrgenommen, wenn Menschen verstärkt nur eine Seite von sich wahrnehmen, so z. B. verstärkt die objektive Seite durch gesellschaftliche Schönheitsideale und psychische Störungen wie Körperdysmorphie, oder aber verstärkt die subjektive Seite, weil die innere Welt, die nur dem Subjekt selbst zugänglich ist, durch eine Identitätskrise oder eine traumatische Erfahrung an Unschärfe und Unvollständigkeit der Selbstwahrnehmung leidet, das innere Erleben also nicht kohärent oder nicht vollständig erfassbar ist und eine verzerrte Innensicht hat.
Die Körperwahrnehmung vermittelt durch verschiedene Sinne die Verbindung zwischen Innen und Außen. Sie ermöglicht es, Bewegungen, Lage und Spannungen im Körper zu registrieren und beeinflusst somit nicht nur das Selbstgefühl, sondern auch unser Handeln in der Welt. Wenn die Subjekt-Objekt-Spaltung sehr ausgeprägt ist, kann dies zu einem gestörten Körperbild führen, bei dem sich jemand vom eigenen Körper entfremdet fühlt oder sich selbst in erster Linie als Objekt bewertet.
Durch objektive Wahrnehmung und ihre körperliche Komponente kann die Sexualität als besondere Erfahrung des Körpers und des Selbst, in der sowohl das Subjekt (das fühlende, erlebende Ich) als auch das Objekt (der Körper, der wahrnimmt und handelt) das subjektive Erleben positiv beeinflussen und die Subjekt-Objekt-Spaltung überwinden und mildern. In den intimen Momenten wird die rigide Trennung zwischen Subjekt und Objekt durchbrochen, wodurch ein Gefühl von Verschmelzung oder Einheit entsteht, das das sonst übliche Bewusstsein der Spaltung zwischen „ich“ und „das Andere“ temporär aussetzt. Diese Erfahrung steht im Zusammenhang mit dem Gefühl der Zugehörigkeit, Verbundenheit und des Einbezogenseins, das in der Sexualität möglich wird.
Philosophisch lässt sich sagen, dass die Subjekt-Objekt-Spaltung, die Karl Jaspers als Grundstruktur bewusster Erkenntnis beschreibt, in der Sexualität durch eine intensive körperliche und emotionale Beziehung für kurze Zeit aufgehoben erscheinen kann.
Die Sexualität eröffnet dabei einen Raum, in dem sich Subjektivität und Objektivität annähern, indem der Mensch sich nicht nur als Subjekt wahrnimmt, sondern gleichzeitig den Körper als sinnliches Objekt auf eine Weise erfährt, die nicht nur distanzierend wirkt, sondern auch eine intime, ungeteilte Einheit ermöglicht. Diese „Verschmelzung“ hat viele positive psychische Effekte:
- Steigerung der Verbundenheit und Intimität
- Aufhebung innerer Spaltungen und ein Gefühl von Ganzheit
- Bewusstseinserweiterung jenseits gewohnter Selbstwahrnehmung
- Förderung des Selbstwertgefühls durch das Erleben als begehrenswertes Objekt und zugleich handelndes Subjekt
Sexualität wirkt über die bloße körperliche Ebene hinaus auf das Selbstverständnis und Selbstbewusstsrin und muss ganz und gar nicht in die Objektwelt polarisieren, sondern hat das Potenzial, kurzzeitig die übliche Trennung zwischen Selbst und Welt aufheben und das Erleben der Ganzheit zu erinnern.
Gesundheit und Sexualität
Regelmäßiger Sex lindert viele verschiedene gesundheitliche körperliche und psychische Probleme, sowie das Risiko für Erkrankungen :
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Weniger Schlafstörungen: Sex am Abend kann das Einschlafen erleichtern und Schlafstörungen verbessern. Die nach dem Sex freigesetzten Hormone können wirken beruhigend.
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Weniger Fruchtbarkeitsprobleme: Regelmäßiger Sex kann die Fruchtbarkeit steigern. Eine Studie aus den USA zeigt, dass eine hohe sexuelle Aktivität physiologische Veränderungen im Körper auslöst, die die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft erhöhen, sogar außerhalb des Eisprungs.
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Weniger Stress und Anspannung: Sexuelle Aktivität trägt zur Entspannung und zum Abbau von Stress bei.
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Weniger Schmerzen: Sex kann in manchen Fällen schmerzlindernd wirken.
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Prostatakrebs: Eine groß angelegte US-Studie zeigt, dass Männer mit häufigen Ejakulationen im Vergleich zu denjenigen mit einer geringeren Frequenz seltener die Diagnose Prostatakrebs erhalten.
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Besseres Immunsystem: Der Austausch von Körpersäften aktiviert unsere Abwehrzellen gegen mögliche Erreger der Partnerin oder des Partners und stärkt so unser Immunsystem. (Nachteil: Man kann sich dabei auch mit einer sexuell-übertragbaren Infektionskrankheit anstecken.)
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Besserer Kreislauf: Sexuelle Aktivitäten fördern die Durchblutung des Körpers, wodurch das Herz-Kreislauf-System trainiert wird. Regelmäßiger Sex kann als moderate körperliche Aktivität betrachtet werden und somit positive Auswirkungen auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit haben.
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Verbesserter Blutdruck: Sex senkt die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol, was Stressfolgen mildert, aber auch dem Blutdruck zugutekommt.
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Gesündere Gelenke: Die beim Sex ausgeschütteten Endorphine wirken schmerzlindernd und können beispielsweise Kopf- und Gelenkschmerzen lindern.
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Weniger Depressionen: Sexuelle Aktivität kann zur Ausschüttung von stimmungsaufhellenden Hormonen wie Serotonin und Endorphinen führen, was depressive Symptome lindern kann.
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Weniger Angststörungen: Sex kann durch den Abbau von Stress und die Freisetzung von Oxytocin zur Entspannung beitragen und Angstsymptome reduzieren.
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Weniger stressbedingte Störungen: Sexuelle Aktivität kann Stress abbauen und zur Entspannung beitragen, was stressbedingte psychische Probleme mildern kann.
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Mehr Selbstwertgefühl: Positive sexuelle Erfahrungen können das Selbstwertgefühl stärken und ein positives Körperbild fördern.
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Weniger Beziehungsprobleme: Regelmäßiger Sex kann die Intimität und Verbundenheit in einer Partnerschaft stärken und so beziehungsbedingte psychische Belastungen reduzieren.
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Weniger Sexuelle Funktionsstörungen: Regelmäßige sexuelle Aktivität kann dazu beitragen, sexuelle Ängste abzubauen und die sexuelle Funktion selbst zu verbessern.
Trotz des Wegfallens der körperlichen Anstrengung und der sportlichen Vorteile kann auch Selbstbefriedigung positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Ebenso wie Sex wirkt sich Selbstbefriedigung positiv auf den Stressabbau aus und kann Schmerzen lindern.
Pornografie und Gesundheit
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Der Sexualwissenschaftler Kurt Starke verneint die Ansicht, dass einfache Pornografie schädlich oder jugendgefährdend sei. In einer von dem Erotik- und Medienunternehmer Tobias Huch in Auftrag gegebenen Untersuchung einer großen Anzahl von Studien zu diesem Thema kam er zu dem Schluss, dass "eine schädliche Wirkung von Pornografie per se auf Jugendliche nicht belegt werden" könne. Starke hält sogar das Verbot einfacher Pornografie für jugendgefährdend, weil dadurch sexuelle Handlungen dämonisiert würden und es zu einer falschen Selbstwahrnehmung Heranwachsender kommen könne. Eine Studie nach PPUS ergab 2023 einen Anteil suchtgefährdeter Pornografienutzenden von weniger als 5% der Befragten.
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Alexander Korte sieht Pornografie grundsätzlich immer dann als Problem an, wenn sie "physisch oder psychisch verletzend, diskriminierend oder ausgrenzend" wirkt.
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In das philosophische Selbstverständnis der Aufklärung, welches die größtmögliche Glückseligkeit der Menschen als Ideal sieht, passt die Vorstellung, daß echte Erotik auch der geistigen Liebe bedarf, und dadurch das vollkommene Glück entsteht.
Pornografie als Industrie
porn-better.com kommt bei der Frage, ob Pornos ein Spiegel unserer Gesellschaft sind, zu dem Schluss, dass Pornografie heute tief in Kapitalismus, Patriarchat und bestehenden Machtstrukturen verwurzelt ist. Pornos sind keine utopischen Räume sexueller Befreiung, sondern Arbeit, die von gesellschaftlichen Ungleichheiten wie Klasse, Geschlecht und Herkunft geprägt ist. Die Pornoindustrie reflektiert die Werte und Probleme der Gesellschaft, in der sie operiert – etwa Sexismus, cis-Heteronormativität, rassifizierte Begehren und fehlenden Konsens. Diese Muster werden in Pornos nicht erfunden, sondern reproduziert, weil sie marktwirtschaftlich gefragt sind.
Queere, feministische und sexarbeits-positive Produktionen zeigen teilweise, dass Alternativen existieren, aber „ethische Pornografie“ nicht idealisiert werden sollte, da auch dort oft unter prekären Bedingungen gearbeitet werden kann. Entscheidend ist, wie auf und abseits der Sets mit Konsens und Machtverhältnissen umgegangen wird. Kritik an der Pornoindustrie kommt häufig von Menschen, die selbst keine Pornos konsumieren, was das Wachstum progressiver Produktionen erschwert, da der Markt auf Nachfrage reagiert. Solange vor allem cis-hetero Männer mit normativen Erwartungen zahlen, wird die Industrie sich daran orientieren.
porn-better.com betont weiter, dass Pornodarstellende als Arbeitende Rechte, Sicherheit und faire Bezahlung verdienen. Verantwortung als Konsumierender heißt, sich bewusst mit dem eigenen Konsum auseinanderzusetzen – unter welchen Bedingungen ein Porno produziert wurde und wer davon profitiert. Echte Veränderungen in der Branche entstehen nicht durch moralische Panik, sondern durch Arbeitskämpfe, klare Regulierung und kollektives Handeln. Pornografie zeigt eindrücklich, wie Kapitalismus Intimität und Begehren kommerzialisiert und Machtstrukturen perpetuiert.
Kritik der sexuellen Repression
Dass bereits die Idee der Zensur von Verbalerotik von Kindesbeinen an irgendwann auf absurde Grenzen stößt, dies haben bereits die britischen Humoristen Matt Lucas und David Walliams überspitzt in ihrer Sketch-Show "Little Britain" ausführlich vorgeführt.
Wilhelm Reich (1897-1957) hielt die „voreheliche Keuschheit“ und „sexualfeindliche Zwangsmoral“ mit der Verpönung der Masturbation für lebensfeindlich und krankmachend. Er beschrieb in seinem Werk Der triebhafte Charakter, wie bestimmte Persönlichkeitsmerkmale aus der Unterdrückung von sexuellen und emotionalen Trieben resultieren. Diese Charaktere neigen dazu, autoritär zu sein und zeigen oft eine Abneigung gegen Freiheit und Selbstverwirklichung, sodass sie Zensuren eher bejahen würden. Diese positive Rückkopplung repräsentiert so die Selbsterhaltung des Problems. So argumentiert Reich, dass die Unterdrückung von Sexualität nicht nur individuelle, sondern auch gesellschaftliche Konsequenzen hat. Er sieht einen Zusammenhang zwischen der psychologischen Verfassung des Individuums und den größeren sozialen Strukturen, die autoritäres Verhalten fördern.
Michel Foucault (1926-1984) argumentierte außerdem in seinem Werk "Sexualität und Wahrheit, dass Sexualität nicht als natürliche oder biologische Angelegenheit existiert, sondern als soziale Konstruktion, die von Macht und Wissen geprägt wird. Er beschrieb, wie sich im 18. und 19. Jahrhundert ein “Sexualdispositiv” entwickelte, das die Sexualität als Objekt von Wissenschaft, Medizin, Recht und Moral bestimmte und kontrollierte. Foucault betonte die Bedeutung der Beichte und des Geständnisses in der christlichen Tradition für die Formierung der Sexualität als verbotene und schuldige Angelegenheit. Er kritisierte die traditionelle Sexualpolitik, die die Sexualität als "something to be repressed and controlled" (etwas zu unterdrücken und zu kontrollieren) betrachtet, anstatt sie als freie und selbstbestimmte Erfahrung zu akzeptieren. So forderte er eine neue, freiere und selbstbestimmte Sexualität, die sich von den Zwängen der Macht und des Wissens befreien muss.
Die Freiheit der Pornografie, ist nicht so selbstverständlich, wie man glauben mag.
Lediglich die westlichen Länder haben sich zu der Erkenntnis der Bedeutung dieser Freiheit für die Gesellschaft und ihre Gesundheit durchringen können. Diese arglos zu verlieren, ginge mit vielen negativen Konsequenzen und Einschränkungen für uns einher und wir sollten sie sorgsam behüten.
Lügen und Aberglauben zur Rechtfertigung sexueller Repression
Die folgenden Lügen und Aberglauben rund um Selbstbefriedigung und Sex haben wir losgelassen:
Mythos | Beschreibung | Ursprung / Hintergrund |
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1. Beim Orgasmus sterben Hirnzellen ab | Falsch: Es gibt keine Beweise, dass Orgasmen Hirnzellen töten. Diese Behauptung dient wohl dazu, sexuelle Lust als gefährlich darzustellen und war vermutlich Teil moralischer Erziehung. | Früher wurde Sexualität oft pathologisiert und als gesundheitsschädlich gesehen, um sexuelle Aktivität einzudämmen . |
2. Masturbation macht blind | Irrglaube, dass Selbstbefriedigung Augen schädigen würde. Kein medizinischer Beleg existiert. | Dieser Mythos sollte Menschen von Masturbation abhalten, basierend auf Scham- und Tabuisierungskultur . |
3. Masturbation verursacht Pickel | Keine wissenschaftliche Grundlage, aber weit verbreitet. | Vermutlich durch gesellschaftliche Unkenntnis und Ablehnung sexueller Aktivitäten entstanden . |
4. Masturbation macht ungesund oder schwach | Früher galt Selbstbefriedigung als Ursache für Krankheiten oder Schwäche. | Medizinische Fehldeutungen und moralische Dogmen führten zu dieser Ansicht, um Sexualität zu kontrollieren . |
5. Masturbierende Menschen haben weniger Lust auf Sex mit Partner | Falsch, Masturbation kann sexuelle Lust sogar steigern. | Entstand aus Angst, dass Masturbation als Ersatz für Partnerschaft empfunden wird . |
6. Viel Sex oder Masturbation lässt die Vagina "ausleiern" | Ein häufig missverstandener Mythos. Die Vagina ist muskulös und dehnbar, sie „leiert“ nicht aus . | Ursprünglich ein gesellschaftliches Werkzeug, um weibliche Sexualität einzuschränken. |
7. Männer mit beschnittenem Penis halten länger durch | Keine wissenschaftliche Grundlage. | Entsteht aus Halbwissen über Empfindlichkeit und kulturelle Vorstellungen . |
8. Es gibt keinen G-Punkt | Wissenschaftlich umstritten, aber viele Frauen empfinden ihn als lustvoll . | Mythen spiegeln oftmals Wissenslücken und Tabus rund um weibliche Lust wider. |
9. Masturbation ist nur etwas für Singles | Falsch, viele Menschen masturbieren auch in Partnerschaften . | Mythos entstand wohl aus konservativen Vorstellungen über Sexualität in Beziehungen. |
10. Masturbation ist unnatürlich oder unmoralisch | Sexualität wurde oft als „sündhaft“ oder „unrein“ betrachtet. | Religiöse und kulturelle Tabus bestimmten die negative Sicht auf Selbstbefriedigung . |
Sie stammen alle aus historischer Unwissenheit, gesellschaftlichen Tabus und Versuchen, Sexualität zu KONTROLLIEREN. In vielen Kulturen wurde Masturbation als unmoralisch oder gesundheitsschädlich stigmatisiert, um gesellschaftliche Normen durchzusetzen und Sex zu regulieren. Heute wissen wir, dass Sex gesund, normal und psychisch entlastend ist .
Die moderne Forschung und Aufklärung räumen diese Mythen auf: Masturbation senkt Stress, fördert das Wohlbefinden und schadet nicht der körperlichen oder geistigen Gesundheit. Viele Vorurteile beruhen also nicht auf Fakten, sondern auf kulturellen Ängsten, Scham und Fehlinformation.
So ist es nur umso mehr verwunderlich und fragwürdig, dass seit einiger Zeit Tendenzen beobachtbar sind, welche Nacktheit und erotische Kunst wieder in diese Ecke zurückdrängen.
Gesellschaftliche kognitive Verzerrung der Körperästhetik durch Repression
Die Plattformen Instagram und Facebook sehen sich dabei bereits länger dem Vorwurf ausgesetzt, prüde zu sein. Bilder, die Nacktheit zeigen, insbesondere Genitalien oder sekundäre Geschlechtsmerkmale, werden entfernt – obwohl es sich bei den Bildern um Kunstwerke handelt! Künstler wie Emanuel beklagen sich über die standardisierte Auswahl der Bilder, die gelöscht werden. Dass Pornographie im Internet für Minderjährige unzugänglich gemacht werden soll und dass Kinderpornographie entfernt werden muss ist nachvollziehbar.
Doch die Algorithmen der Plattformen beeinträchtigen die Freiheit der Kunst durch ihre blinde Zensur, und damit - verzögert - auch die Freiheit der ganzen Gesellschaft.
Das Gemälde "Diana und Aktäon" von Giuseppe Cesari zeigt eine Szene aus der griechischen Mythologie, in der der Jäger Aktäon eine Gruppe nackter Frauen – die Göttin Diana und ihre Nymphen – beim Baden überrascht und ihre Nacktheit sieht. Die Darstellung steht symbolisch für die Verletzung der Unantastbarkeit und Reinheit Dianas durch Aktäons unerlaubtes Beobachten.
Giuseppe Cesari malte die Nymphen in "Diana und Aktäon" bewusst nackt, um mehrere zentrale Wirkungen beim Betrachter hervorzurufen, die eng mit dem Zeitgeist des Barock und der Renaissance verknüpft sind. Zum einen verstärkte die Nacktheit die sinnliche und ästhetische Wirkung des Bildes. Die Darstellung nackter, idealisierter Körper entsprach damals dem Schönheitsideal und der Vorstellung von göttlicher, unverfälschter Natur. Dadurch zog das Bild die Aufmerksamkeit auf sich und erzeugte eine emotionale Reaktion – Bewunderung für die Schönheit, aber auch Faszination gemischt mit Respekt vor dem Heiligen und Unberührbaren.
Zum anderen dient die Nacktheit als symbolisches Element für Reinheit und Verletzlichkeit, vor allem im Kontext der Mythologie: Diana als jungfräuliche Göttin verkörpert Unantastbarkeit, und ihre Nymphen sind Teil dieses heiligen Kreises. Aktäons blick - das unerlaubte Beobachten der nackten Nymphen – schafft eine Grenzüberschreitung, die sogleich durch die Verwandlung Aktäons bestraft wird. So zeigt Cesari mit der Nacktheit den Moment der Verletzung eines Tabus, was im Barock eine bedeutende moralische und religiöse Botschaft transportierte.
Der Zeitgeist dieser Epoche verband Kunst mit einer starken didaktischen Funktion: Kunstwerke sollten nicht nur bezaubern, sondern auch lehren und die Moral stärken. Die Nacktheit war kein reiner Voyeurismus, sondern ein bewusster Spannungsbogen zwischen Schönheit und Sittlichkeit, der den Betrachter zur Reflexion über Grenzen, Scham und göttliche Ordnung führen sollte.
Schließlich wollte Cesari beim Publikum auch eine Art ästhetisches und intellektuelles „Erwachen“ erzielen — die Sinnesfreude an der Schönheit und gleichzeitig die Erkenntnis der Konsequenzen des unkontrollierten Begehrens und Blickens. Diese duale Wirkung entsprach den barocken Prinzipien von Dramatik, Gegensätzen und moralischem Nachdenken.
Exakt dieses Kunstwerk zeigte eine Lehrerin in Frankreich im Kunstunterricht. Einige muslimische Schüler im Alter von 12 bis 13 Jahren fühlten sich durch das Kunstwerk belästigt, was zu Protesten und Drohungen gegen die Lehrerin führte. Daraufhin blieb die Schule aus Solidarität und aus Angst um die Sicherheit des Kollegiums zunächst geschlossen.
Mit Ikonoklasmus, der religiös motivierten zerstörerischen Ablehnung und Vernichtung von Bildern, der sich auf das biblische Bilderverbot, das Götzenanbetung verhindern will und für Gott eine bildlose Verehrung fordert gründet, hat das offensichtlich nichts zu tun, sondern mit einer aus der Balance geratenen Vorstellung von Innen und Außen, von Subjekt und Objekt.
Dass der Schulabschluss den Lernenden gewährt wurde, obwohl die meisten von ihnen womöglich nie in der Lage sein werden, dieses Meisterwerk auch nur ansatzweise eigenhändig nachzubilden, verankert wenigstens die Hoffnung, dass sie im Laufe ihres Lebens über das sexuelle Korsett ihrer krankmachenden Erziehung noch hinauswachsen werden – vielleicht gerade, wegen dieses Ereignisses.
Sexuelle Repression durch Überwachung
Worüber man – mit pornografischen Deepfakes im Rachen, die mit einer Rate von etwa 50 bis 80 Prozent als solche erkannt werden können – leichtfertig lachen möchte, ist dennoch nicht aus der Welt: Als wäre die Minderheit, die unter Genophobie (Sexualangst) leidet, nicht schon genug mit ihrer Befangenheit bestraft, scheint es nämlich für Kriminelle sehr rentabel zu sein, zu versuchen, diese Personengruppe erpresserisch ausbeuten, wie die folgende Phishing-Email eines Erpressers zeigt:
Guten Tag!
Ihr System wurde gehackt mit einem Trojaner-Virus. Es hat eingedrungen auf Ihr Gerät über Portale für Erwachsene die Sie besuchen. Manche pikante Videos beinhalten den bösartigen Kode, aktiviert sofort nach dem Einschalten. Alle Daten sind bereits kopiert auf meine Server.
Ich behalte vollständige Kontrolle über Ihr Gerät, mit dem Sie das Internet durchsuchen. Ich sehe Ihren Bildschirm und kann benutzen das Mikrofon und die Kamera ohne Sie das überhaupt bemerken. Ich habe bereits eine Bildschirmaufnahme gemacht.
Wir schufen ein Video mit einem pornografischen Rollen, das Sie sich zu diesem Zeitpunkt angesehen haben und masturbierten. Ihr Gesicht ist perfekt sichtbar und ich glaube nicht, dass diese Art von Inhalt auf Ihren Ruf positive Wirkung haben wird.
Ich habe vollständigen Zugriff zu Ihrer Kontaktenliste und zum Profil in sozialen Netzwerken. Ich kann schicken dieses Video aus Ihrer E- Mail oder den Messengern an alle Welt. Wenn Sie dies vermeiden möchten, dann müssen Sie tun nur einen einfachen Schritt.
Überweisen Sie einfach 1200 USD (US-Dollar) auf die Bitcoin-Wallet:
bc1qexydepz0jauv5epjg6c2u2zj0ep86aauewl6rj
(in Bitcoin-äquivalent zum Wechselkurs auf Zeitpunkt der Überweisung)
Sie können finden detaillierte Anweisungen im Google. Nach der Zahlung ich werde entfernen das Video und den Virus aus Ihrem Gerät und niemand wird Sie jeweils mehr stören. Wenn ich nach Ablauf dieser Frist keine Zahlung erhalte, alle Ihre Daten und die Videos werden öffentlich zugänglich.
Ich gebe Ihnen 2 Tage Zeit. Ich erhalte eine Benachrichtigung darüber, dass Sie diesen Brief gelesen haben. Der Zeitgeber startet sofort. Allerlei Beschwerden, auch bei der Polizei, wären sinnlos. Mein Bitcoin-Wallet und das E-Mail können nicht verfolgt werden. Wenn ich erfahre, dass Sie diese Nachricht mit jemandem anderem geteilt haben, das Video wird sofort veröffentlicht.
Ich werde Ihren Ruf für immer zerstören und alle Ihre Daten werden öffentlich zugänglich. Jeder wird von Ihrer Leidenschaft zu Pornoseiten erfahren und mehr. Das Wechseln von Passwörtern wäre auch hilflos, weil alle Daten liegen bereits auf meinen Servern. Vergessen Sie nicht, dass der Ruf ist sehr wichtig, und seien Sie umsichtig!
Was vordergründig erheiternd erscheint, ist dennoch ein Verbrechen:
- Erpressung (§ 253 StGB)
- Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB)
- Heimliche Bildaufnahme (§ 201a StGB
- Verletzung des Persönlichkeitsrechts / Datenschutzverstöße (DSGVO)
Die Täter versenden diese Nachrichten meist wahllos an sehr viele Personen, in der Annahme, dass ein Teil davon tatsächlich masturbiert hat oder zumindest Angst davor hat, dass intime Aufnahmen existieren könnten. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass einige Opfer auf die Erpressung eingehen und zahlen.
Manchmal verstärken die Erpresser ihre Drohungen mit persönlichen Daten (z. B. bereits bekannten Passwörtern), die sie aus Datenlecks übernommen haben, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Die E-Mails sind aber meist allgemein gehalten und nennen keine konkreten Details oder enthalten keine tatsächlichen Aufnahmen. Die Polizei und Verbraucherschutz warnen vor einer Zahlung und raten, auf keinen Fall auf solche Erpressungen einzugehen, keine Links oder Anhänge zu öffnen und die Passwörter zu ändern. Tatsächlich sind diese Behauptungen fast immer ein Bluff, weil die Täter gar keine belastenden Aufnahmen haben.
Solche Erpresser-Emails lohnen sich für die Täter nur, weil die Kombination aus Angst, Scham und der hohen Wahrscheinlichkeit, dass Menschen intime Momente vor dem Computer erleben, stark genug ist. Dafür ist nicht nur der digitale Überwachungsdruck verantwortlich, sondern die Erpresser setzen vor allem darauf, dass das Thema Selbstbefriedigung heute noch mit extrem viel Scham besetzt ist, sodass jene Empfänger, die sich „ertappt“ fühlen, bereit sind, die geforderte Summe in Kryptowährung (meist Bitcoin) zu zahlen, um ihre Bloßstellung zu verhindern.
Der gefühlt angemessene Versuch, die Erpresser stattdessen mit Dickpics zufrieden zu stellen, zeigt nur den Ausblick auf den wilden Westen, in dem sich diese versuchten Übergriffe abspielen.
Pornografie und Beziehung
Zu lange und zu kurz...diese Aussage gilt nicht etwa der Länge von Geschlechtsteilen oder Liebesspielen, sondern der Lebensdauer von Beziehungen.
Es mag manchem verlockend erscheinen - doch heute wäre der Versuch, mehr Beziehungen zu haben, als man Pornografie konsumieren könnte, vergebens.
Was ein Mensch körperlich teilen kann, obliegt seiner eigenen Vorstellung - doch welche ungeahnten Vorstellungen davon sonst noch existieren, davon kann die Pornografie ihm erzählen und Erkenntnisse ermöglichen über andere menschliche Vorstellungen von körperlichen Vertrauensverhältnissen und ihrer Schönheit von der Verschmelzung durch und mit dem Körper, noch bevor ihn die Wirklichkeit damit überrascht.
Auf diese Weise dient die Pornografie vielen Menschen als Informationsquelle, erweitert eingeschränkte Sichtweisen und hilft, die eigene Sexualität, Vorlieben und Grenzen besser kennenzulernen. Sie kann sexuelle Neugier befriedigen und die Selbstfindung unterstützen.
Doch führen dabei auch Praktiken zu Irritationen, welche das Ausleben repressiver Leidens- und Machtfantasien darstellen, die jeglicher unschuldigen, jungen Neugier eigentlich als pathologische Perversion erscheinen müsste, sofern denn ein ästhetisches Körperbewusstsein eine Entstehungsgrundlage hat und nicht schon vorher durch Repressionen zerstört wurde.
Unterschiede sexueller Verhaltensweisen in Pornografie und Beziehungen
Von solchen Absurditäten und Kuriositäten ausgenommenen, weicht auch die restliche Beziehungspraxis von pornografischen Darstellungen ab, wie eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2022 unter dem Namen "Porno-Sex versus echter Sex: Sexuelle Verhaltensweisen in einer US-Wahrscheinlichkeitsumfrage im Vergleich zu Darstellungen von Sex in der gängigen Internet-Pornografie für Männer und Frauen" zeigt. Sie hatte zur Methode, zwei große und unterschiedliche Datensätze zu verwenden. Die pornografischen Videos stammen aus einer Inhaltsanalyse von 7430 pornografischen Videos, die 2013 und 2014 von zwei kostenlosen Internet-Porno-Tube-Seiten, Xvideos.com und Pornhub.com, bezogen wurden. Die Stichprobe der jüngsten sexuellen Erfahrungen der Amerikaner stammt aus der Nationalen Erhebung über sexuelle Gesundheit und sexuelles Verhalten (NSSHB-Welle 4) von 2014. Die Gesamtstichprobe der NSSHB 2014 umfasste 2098 Personen aus dem landesweit repräsentativen Ipsos (früher GfK) KnowledgePanel®.
Das Fazit der Studie lautet : »Wir fanden heraus, dass Küssen, männliche Orgasmen, weibliche Orgasmen und die Verwendung von Kondomen in den pornografischen Videos deutlich seltener vorkamen als in den letzten sexuellen Erfahrungen der Befragten. Umgekehrt waren Penis-Anal-Verkehr und Fellatio in den pornografischen Videos signifikant häufiger als in den Berichten der Teilnehmer über ihre jüngsten sexuellen Erfahrungen. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen der Häufigkeit von Cunnilingus oder der Verwendung von Sexspielzeug in den Videos im Vergleich zu den Berichten der Umfrageteilnehmer. Schließlich stellten wir fest, dass Personen, die berichteten, dass sie während ihrer letzten sexuellen Erfahrung in der Partnerschaft Pornografie konsumiert hatten, mit größerer Wahrscheinlichkeit angaben, Oralsex, Penis-Anal-Verkehr und die Verwendung von Sexspielzeug praktiziert zu haben, und dass sie auch mit größerer Wahrscheinlichkeit berichteten, während ihrer letzten sexuellen Erfahrung einen weiblichen Orgasmus gehabt zu haben.«
Inhalt | Pornografie | Alle Altersstufen | 18–45 | 45–65 |
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Küssen | 649 (25%) | 1209** | 666** | 453** |
(n = 1378, 88%) | (n = 740, 90%) | (n = 638, 85%) | ||
Cunnilingus | 688 (27%) | 382 | 172 | 209* |
(n = 1,377, 28%) | (n = 737, 23%) | (n = 638, 33%) | ||
Fellatio | 1700 (66%) | 434** | 229** | 205** |
(n = 1378, 32%) | (n = 740, 31%) | (n = 638, 32%) | ||
Penis und Scheide | 1666 (65%) | 1057** | 562** | 495** |
(n = 1378, 77%) | (n = 740, 76%) | (n = 639, 78%) | ||
Penis-Anal-Sex | 444(17%) | 56** | 31** | 26** |
(n = 1378, 4%) | (n = 740, 4%) | (n = 639, 4%) | ||
Sex-Spielzeug | 159 (6%) | 117 | 63 | 53 |
(n = 1381, 9%) | (n = 739, 9%) | (n = 640, 8%) | ||
Sexuelle Darstellungen Kondombenutzung | 82 (3%) | 204** | 132** | 71** |
(n = 1064, 19%) | (n = 569, 23%) | (n = 494, 14%) | ||
Weiblicher Orgasmus | 317 (12%) | 895** | 480** | 414** |
(n = 1,382, 65%) | (n = 741, 65%) | (n = 640, 65%) | ||
Männlicher Orgasmus | 910 (36%) | 1002** | 657** | 545** |
(n = 1,385, 87%) | (n = 745, 88%) | (n = 640, 85%) |
**p < .001 bedeutet, dass sich eine Kategorie signifikant von der Kategorie Pornografie unterscheidet
*p < 0,01 bedeutet, dass sich eine Kategorie signifikant von der Kategorie Pornografie unterscheidet
Beziehungsstörungen durch übermäßigen Konsum von Pornografie
Pornografische Inhalte vermitteln mithin ein einseitiges, übersexualisiertes Bild der Körperlichkeit, welches wenig mit realen intimen Beziehungen zu tun hat und kann zu verzerrten Vorstellungen von Partnerschaft, Sexualität und Beziehung führen, wodurch echte Bindungen und Kommunikation erschwert werden. Pornografie wirkt dabei manchmal als Verstärker der gesellschaftlichen und psychischen Herausforderungen in Bezug auf die Beziehungskultur.
Ein exzessiver Konsum solcher Inhalte korreliert mit gestörter Intimität, reduzierter emotionaler Nähe und auch mit Bindungsangst, da sexuelle Erfüllung in pornografischen Fantasien gesucht wird, statt in realen partnerschaftlichen Interaktionen. Das normale Beziehungsverhalten destabilisiert sich dann, indem schnelle, oberflächliche Sexualkontakte begünstigt wird und dabei das Verständnis von Beziehungstiefe verkümmert. Dies verstärkt die Tendenz zu Mehrfachbeziehungen ohne klare Verpflichtungen.
Der unklare Beziehungsstatus und das Zurückstellen fester Partnerschaften führen jedoch zu Verzögerung oder Verunsicherung bei der Familienplanung. Weil binden und planen emotional und finanziell risikoreich erscheinen, verschieben viele ihren Kinderwunsch und Familiengründung deutlich in die Zukunft. Unsicherheit und Mehrdeutigkeit in Beziehungen behindern dabei das Vertrauen und die Fähigkeit, echte Nähe aufzubauen.
Die Dynamiken führen dazu, sich heute in einem Spannungsfeld zwischen Wunsch nach Nähe und Angst vor langfristiger Bindung zu befinden, was mentale Belastungen erhöht, den Lebensplanungshorizont beeinflusst, und sich in Form von „Nichtbeziehungen“ oder Beziehungsformen ohne klare Bindung („Freundschaft plus") manifestiert.
Biologischer Beziehungs-Realismus
Hinter traditionellen, gesellschaftlich institutionalisierten Vorstellungen eines lebenslangen Partners stecken Illusionen, die biologischen Fakten widersprechen und zeigen, dass das verallgemeinerte Narrativ einer lebenslangen Beziehung biologisch unangemessen ist:
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Biologisch motivierte Paarungsstrategien
- Der Mensch ist evolutionsbiologisch nicht auf eine einzige lebenslange Partnerschaft festgelegt.
- Biologisch profitieren Partner davon, sich an unterschiedliche Lebensphasen und Umstände anzupassen, was Lebensabschnittsbeziehungen wahrscheinlicher macht.
- Die intensive, neurochemisch getriebene Verliebtheitsphase hält meist nur wenige Jahre an, danach verändert sich die Bindung hin zu stabilerer, aber weniger leidenschaftlicher Partnerschaft.
- Die Idee, dass Leidenschaft und intensive Bindung über das gesamte Leben gleichbleiben, widerspricht der biologischen Realität.
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Illusionen und unrealistische Erwartungen in Beziehungen
- Die romantische und gesellschaftliche Vorstellung vom „ewigen Seelenpartner“ ist eine Idealisierung, genährt durch Medien, soziale Normen und kulturelle Mythen, die mit der realen Dynamik einer Partnerschaft meist nicht zusammenpassen.
- In der Realität führen Illusionen – wie die Erwartung einer harmonischen, konfliktfreien Liebe oder die Annahme, der Partner müsse Gedanken lesen können und einem auf Händen durch's Leben tragen zu wiederkehrender Enttäuschung und Konflikten.
- Beziehungen spiegeln stark die subjektiven Innenwelten der Partner wider; man sieht im anderen oft überwiegend sich selbst. Das bedeutet, dass individuelle Wahrnehmungen und Erwartungen stark divergieren können, was lebenslange Übereinstimmung erschwert.
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Psychologische Herausforderungen: Ilusionships und emotionale Instabilität
- Viele erleben sogenannte „Ilusionships“ – Beziehungen, die mehr in der eigenen Vorstellung existieren als in einer realen, auf gegenseitigem Commitment basierenden Partnerschaft.
- Diese emotionalen „Gefängnisse“ entstehen aus Unsicherheit, Vermeidung echter Nähe oder überhöhten Erwartungen, verhindern aber echte Bindung und langfristige Stabilität.
- Die Unsicherheit und der Wunsch nach Kontrolle über den Partner widersprechen dem biologischen Bedürfnis nach Vertrauen. Kontrolle zerstört Vertrauen, welches aber die Grundlage für dauerhafte Bindungen bildet.
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Statistische Realität von Partnerbindung
- Hohe Scheidungsraten und Trennungswahrscheinlichkeiten zeigen empirisch, dass viele Partnerschaften nicht lebenslang andauern, was auch auf grundlegende biologische, psychologische und soziale Ursachen zurückzuführen ist.
Die Idee der lebenslangen Partnerschaft passt folglich weder zur biologischen Natur des Menschen noch zur psychischen Wirklichkeit von Beziehungen und führt häufig zu unerfüllbaren Erwartungen und emotionalen Konflikten. Wer ein realistischeres Beziehungsmodell und die Veränderlichkeit von Menschen und Beziehungen im Lebensverlauf anerkennt, setzt auf Vertrauen, Kommunikation und Akzeptanz von Differenzen ohne Illusion der Perfektion.
Die womöglich etwas aus der Mode gesellschaftlicher Vorstellungen gekommenen Lebensabschnitts-Partner (LAP) erlauben jene Flexibilität, die zu den veränderten Lebensumständen, Karriereentwicklungen oder Identitätsfindungen passt, die ein Leben mit sich bringt.
Bereits der florentinische Giacomo Casanova (1725-1798) zeigte, obwohl er Zeit seines Lebens mit über 200 Frauen verkehrte, als aufgeklärter Mensch vor der Persönlichkeit der Frauen, die er liebte, seinen vollen Respekt und er bemühte sich, sie als Individuen zu verstehen und zu akzeptieren, anstatt sie nur als Objekte der Begierde zu sehen. Aus seinen Memoiren ist ableitbar, dass er sich für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzte und den Despotismus verachtete, den Männer über Frauen ausübten.