Tageleben

von Gerd Raudenbusch

Prolog

Dem Leben doch die Ehre gilt.
Zu oft bemessen, schlecht bewogen,
vom freien Willen gar belogen
nur ist, was sich im Herz erfüllt.

Oft sonderbar nach Hilfe schreit,
dem doch schon längst geholfen ist,
sich ansehnlich in Liebe hisst,
mühsam gereift, nur nicht bereit.

Nur wenn das Nein, dem ja entspringt,
dass Einer sich auch führen ließe,
nur dabei dann sich Selbst verließe,
mit einem Mal ganz unbedingt -

Nur wenn das Nein sich selbst verdreht,
der Spalt sich schließt, so wie der Frieden,
mit festem Herz sei er beschieden,
manch Hoffnung in Erfüllung geht.


Am Morgen

Noch dem Ursprung ganz vergessen,
kommt, wie Sonne, an den Tag,
wer immer es auch glauben mag,
die Wahrheit - sich an "Nichts" bemessen.

Wo das Licht die Welten durchscheint,
beginnen Tage, unseren gleich,
in unzähligen Arten, so vielfaltsreich,
vom Sein getragen, vom Leben vereint.

Fuerdies ist der Tag das beste Versteck,
wo die Nacht doch nur in ihrem Mantel verbirgt
das Narrengekreische, den wandelnden Geck,
von diesem Gleichgewicht bewirkt.

Es regt sich "Nichts", der erste Strahl!
Erst kitzelt es, dann juckt es auch,
in der Nase, um den Bauch,
der erste Wille seiner Wahl.

"Gut geschlafen?" - Schöner Traum,
wo war man nur wie lang gewesen,
mit welchen Dingen warum belesen,
man träumt es, nur man weiss es kaum.

Und was immer "man" auch sei,
ohne Freiheit zu beschließen,
wenn sich Es nicht (Selbst) bleibt treu,
ist im Grunde mit dabei,
zu sein, wo viele Tränen fließen.

Auch die Angst um Existenz,
ist der Grund fuer die Tendenz,
dass aus egomanem Streben,
wird geredet, um zu leben.

Man grämt sich der Magie des Tags,
doch Licht schon war bevor es gesehen
mit ungewohnter Blindheit vergehen
Zeiten, gezählt des linken Schlags.

So pocht es uns, ob Tag, ob Nacht,
gekreuzet, bar, von Odem und Aß,
dass ERleben möglicherweise gemacht,
von dem was IST, das sich einst vergaß.

An jedem Horizont blinkt ein Licht,
es scheint dabei so klar und rein,
im manchem Herze schon daheim,
im andern sieht man's wieder nicht.

Deshalb wird auch nicht jeder wach,
dem Traum nur allzusehr verhangen,
noch mehr Besitz und Macht zu erlangen,
schläft mancher so im größten Krach.

Der Tag ist das Kind der kosmischen Nacht.
Der Träumer der aus ihr erwacht,
zu neuen Taten ist bereit,
wer Weisheit in sich trägt, der sieht,
was in und um ihn auch geschieht,
ist Eins mit dem was einzig ist,
das weder messbar noch bemißt,
im Meer der wahren Ewigkeit.


Am Vormittag

Es bringt die Wahrheit den Tag zur Reife,
durchflutet ihn mit ruhigem Gemüt,
und was lebt, stürzt sich in Geschäftigkeit,
für die Schönheit des Tages nur wenig Zeit,
eh' man sich's versieht ist sie verblüht,
durchläuft einjeder erneut seine Schleife.

Die Klarheit wünscht sie sich zum Siege,
und Leiden doch nur weise macht,
vorher geweint, nachher gelacht,
liegt eins dem andern in der Wiege.

Wie schwindelt's hier dem Tag schon jetzt,
oh, seine Geister
tanzen kreisend um den Meister,
augenscheinlich ihm zur Zier.

Mit Nächstenliebe die stets da,
wo Liebe ihre Freiheit krönt,
unendlich mit sich selbst versöhnt,
entsteht das Leben, sich gewahr.

Die Grausamkeit zwischen Schwarz und Weiß,
die tiefenlos, unendlich flach
und doch erleuchtet, spielt das Schach
nur Zug um Zug, mit manch Verschleiß
am Menschen, spiegelt dessen Würde,
die ihm bietet seine Hürde,
macht den letzten Schläfer wach.

Mit übler Laune, schlief er so gut,
verkündet der Schreihals seine Wut,
und ist es oft nur Parodie,
pfeift er doch stets die Melodie,
die ihm schon seine Alten pfiffen,
ihn zum "rechten" Menschen schliffen.

Macht er erst seine Leinen los,
ist die Freude aller groß.
Die Arroganz, die ihn verletzt,
sich seiner Selbst hinweggesetzt,
verläßt ihn bald, wenn er vergibt,
die Fehler derer, die er liebt.

Und fließt statt Liebe die Autorität
durch den Menschen, der es da begeht,
sich Selbst zum blinden Werkzeug zu machen,
während andre Herzen ihn hörbar verlachen,
muss die restliche Vernunft gerettet werden,
der Menschenverstand Verantwortung zeigen,
der Narr muss schrei'n, der Weise schweigen,
um des Friedens Willen, hier auf Erden.

Anstatt sich stets zu überheben
soll er doch die Weisheit lehren,
um sich aus der Kraft zu mehren,
fließend Liebe abzugeben.

Denn wir liegen geborgen in unserer Hände
Liebe, getragen von Anfang und Ende.
Und hat manch Götze die Sicht verblendet,
dem Licht sind wir nie abgewendet.


Am Mittag

Und des Mitt-Tags Brennpunkts Wille,
gülden in der heißen Sonne,
berührt von dem Moment der Stille,
fügt sich glänzend seiner Wonne.

Die Luft steht still, und fängt sie bald
zu schwimmen an mit grosser Hitze,
machen Bäume ihre Witze.
Abends erst, wenn es wird kalt,
pfeift mancher Gnom den Oberton,
die Elfen sich im Kreise ringen,
magisch ihre Reime singen,
schwebt der Dämmerung davon,
wer ihr sich nicht zu kleiden wusste
und dem "Selbst" entfliehen musste.

Und in dem Chaos mancher Sinne,
die Sonne hoch am Himmel steht,
hält der Geist die Weile inne,
bis die Welt sich weiterdreht.

So ward der Welt doch vorenthalten
durch Stümperei und Machtmißbrauch,
- wer Geld besitzt, den kostet's auch -
sich in voller Pracht zu entfalten.

Die Freiheit ist der Widerstand,
sich der Wahrheit zu verschließen,
Ihr Ding in unsrem Herz zu grüßen
macht uns ihrer anerkannt.

Uns ist sie stets an unsrer Seite,
nicht immer man ins Aug' ihr sieht,
die Lüge vor der Wahrheit flieht,
dreht diese sich im Kreise.

Und wenn der Traum, der sich erfüllt,
die Wahrheit als den Tag enthüllt,
und wenn der Traum, den wir verloren,
hat den Tag zur Nacht geboren,
wenn Tag und Nacht ein Tänzchen wagen
und sich unter Zeit begraben,
entblößt der Schein, was er verbirgt,
des Schleiers Zauber ist verwirkt.

Wie Tropfen, die zusammenfließen,
sich zum Ozean vereinen,
sammelt sich der Geist zum reinen
Wissen, um sich zu ergießen
über die Bewußtseinsschwelle,
die sich Selbst entdeckt als Quelle.
Die alte Weisheit, Stück für Stück,
kehrt in der Menschen Kopf zurück.

Zum Ende noch braucht es Konsequenz,
denn was ist ohne Führung die beste Essenz,
wenn nur hin und wieder, ganz unkoordiniert,
ein Funke von Kraft sich im Raume verliert.


Am Nachmittag

Nun emsig fällt der Tag zurück,
das mühsam hochgelebte Stück,
genießt den Flug in seinen Schlaf,
nimmt mit, was er sich nehmen darf.

Die Natur gibt uns ihr Leuchtfeuer preis
in seltener Form und eigener Gestalt,
mit farbenprächtiger Vielfalt,
in unzähllbarer Art, sich selbst zum Be-WEIS.

Manch WEIS-heit auf dem Kopfe steht,
ist Schnee von gestern, längst im Verstand,
der Einfachheit wahrer Schatz nicht erkannt
sie so das Blickfeld des Menschen untergeht.

Es ist des Menschen täglicher Schritt,
der ihn befähigt seiner Macht,
und in der Güte seiner Acht
gezielt ihm in Erscheinung tritt.

Sieht sich der Tag in seinen Spiegeln,
er oft wie nacktes Selbstvergnügen
zur Schau gedeiht, sich zu genügen,
getragen von Geborgenheitsflügeln.

Der Trieb zu leben, den wir reiten,
wird uns überall begleiten,
solange er sich selbst gefiel,
erreichten wir bald jedes Ziel.

Unser Pferd, die Triebesschlange,
- vertrauen wir unsrer Natur -
bekräftigt uns zu leben nur,
wenn wir uns stellen ohne Bange
unsrer Tat in unsrem Zeichen,
die, ohne von uns abzuweichen,
ist der Anteil an DEM SPIEL,
das uns bald führt zum nächsten Ziel.

Wenn es ward sodann getan,
das Werk aus seiner Schöpfungsliebe,
schießen all die Lebenstriebe,
folgend einer neuen Bahn.

Erneut erkannt und sich verstanden,
fühlt man sich der Welt erhaben,
freut sich all der Lebensgaben,
die gut versteckt, doch stets vorhanden.

Gewohnheit trägt die schwersten Säcke,
voll mit Schicksals Stein gefüllt,
dass mancher fast schon überquillt,
stünden besser in der Ecke.

So klebt die Gewohnheit oft Dogmen zusammen,
viel Klischee und Drama ist auch dabei,
das Ganze gemischt zum bunten Brei,
mit viel Gezeter, viel Geschrei,
verzweifelt enthaltend uns Selbst - gefangen.

Hat sich der Kopf zu Glauben gemacht,
das Leben sei bieder in altem Gewand,
das Herz spricht die Wahrheit, es lügt nur Verstand,
mit herzlicher Hoffnung, das Falsche gedacht,
kann ER die Wahrheit doch garnicht ertragen,
geklammert voll Angst an die eigne Beschränkung,
ist Tag für Tag hier nur Verschwendung
wenn nicht mindestens wächst ein Unbehagen.

Kleinkarriert und unbescholten,
stirbt Ideal fuer Ideal
mit Hingabe zur Lebensqual,
wird die restliche Zeit noch abgegolten.

Ohne einen Hauch der Reue,
wiederholt sich jeden Tag auf's Neue
der Tod zu verlangen und zu lieben,
was uns auf die Welt getrieben.

Wer sich's erlaubt, dem sei's ergeben,
die Symbiose einzugehn,
in ihrer Kose einzusehn,
den Schmerz des Verlangens zu erleben.

Jede Erwartung wird stets enttäuscht,
die guten Geister weggescheucht,
erst wenn die Leere sie erschlug,
ist Dankbarkeit sich Selbst genug.

Oft glaubt es unser Ego nicht,
doch ist die Wahrheit nur allzu schlicht,
das Herz es sieht - die Augen nicht -
dem Heimatlicht stets ins Gesicht.

In seiner Wärme, stets geborgen,
ruht die Kraft, ganz ohne Zwingen,
sich des Lebens zu beschwingen,
voll Vertrauen, ohne Sorgen.

Wissen wir uns, so geliebt,
zu führen ohne Furcht und Schrecken,
bleibt uns ewig zu entdecken,
das Leben das sich stets ergibt.


Am Abend

Am Horizont die Sonne taucht
den Tag pastell in Abendröte,
gibt sich hin der letzten Nöte,
bis die Engergie verbraucht.

Dort scheint der Tag wie Projektion,
verfärbt das Licht so bunt und weich,
mit heller Aura, blumengleich,
erinnert sich mit Reue schon
an Morgen, dass ihn bald getötet,
hat hingedient dem Stein der Kraft,
daß Leben ist, was Leben schafft,
der Pan es in den Schlaf geflötet.

Ein Traum von Liebe hier und da,
aus schwerem Herzen, wunderbar,
doch meist nur mit sich Selbst beschäftigt,
wird das Ego stets bekräftigt,
versucht sich krankhaft zu profilieren,
das Ansehen andrer zu gewinnen,
sich Selbst verurteilt zu verlieren,
anstatt sich seiner zu besinnen.

Die güldne Kette des Besitz
ist häufig ein ein besondrer Witz.
Was hat das schönste Ding je genützt,
wenn es nur behindert anstatt unterstützt ?

So sieht auch manch Behausung aus,
ist reich geziert und macht was her,
gekrönt von manchem Gastapplaus -
nur Bewegungsfreiheit gibt's nicht mehr.

Kleider machen solche Leute,
die nicht wissen, wer sie sind,
finanzielle Beute
im Gesellschaftswind.

Leute machen Kleider,
um sich zu verstecken,
wo es gibt nur leider
nichts mehr zu entdecken.

Der Körper ist ein anderes Kleid,
genauso die Persönlichkeit,
doch all die Kulissen verbergen es nicht,
dahinter scheint, wie dem Tag, das Licht.

Doch jede Tür sich offenzuhalten,
mit Kern des Gewissens, das Lügen besteigt,
obdoch nur aus Wachstum in Richtung verzweigt,
zeugt nicht sehr von Sozialverhalten.

Den Witz mag es sich vorbehalten,
was nur Lust an Lust gewinnt,
sich selbst nur hinterher-hinkt,
um sich BLOß nicht zu entfalten.

Wo Außen ist, was Innen fehlt,
ist srändig nur der Geist gequält,
versucht zu sein, was andere denken
ohne jemals selbst zu lenken.

Oft bis zum Tode, bis ins Grab,
vom Lande und Geld bis auf's letze Paar Schuh,
will jener nehmen sein Gut und Hab,
und findet als Poltergeist niemals die Ruh.

Und DOCH ist man sich Selbst auf der Spur,
das größte Geheimnis, wie löst man es nur?
Weil über Gefühl und über Verstand
kein Böse, kein Gut, kein Stolz, kein Scham,
kein Schwarz, kein Weiß mehr ist gekannt,
ruht im Genie eben auch der Wahn.


In der Nacht

Alsbald in Schwärze ist getaucht
das letzte Licht, die Glut verraucht,
und in dem Schutze dieser Nacht
wartet oft sehr erdverbunden
der Geist nur selbst sich zu erkunden,
in der Ruhe, die erbracht.

Ungehindert, sternenklar
ist ins Geheimnis alle Sicht,
was man auch sieht, man sieht es nicht,
erscheint es noch so sonderbar.

Was in der schmackhaften Romanze
zwischen dem Raume und der Zeit
in eigner Schwingung stets gedeiht,
beeinflußt schließlich ungehemmt,
bis es das All fast ueberschwemmt,
den Schlaf, der uns manch dunkle Nacht
doch wohlbehalten heimgebracht,
in unberührtem Glanze.

Erlaubt er sich düstrer Stunde,
sich den Träumen zu erlegen,
wo die Lügen sich bewegen,
die doch stets in aller Munde
fest verwurzelt in den Rachen
derer, die sich selbst verlachen
steckt, bis ihres Todes Gang
unter zaehneknischendem Klang
versiegelt hat manch alte Wunde.

Mit Gier verschlungen, ausgespuckt,
vollgestopft die eigene Leere,
ist der Dämon der uns juckt,
die selbsterwählte Schwere.

Wer abgibt sich mit SOLCH Gesindel,
DER hat auch einen Grund dafür,
wer weiß, vielleicht sind ALLES wir,
andauernd mit uns selbst im Schwindel.

EGAL WER die Sprache der Schatten spricht,
der vergaß, was ein Schatten ist ohne Licht.
Von vielen vergessen, und trotzdem erscheint's,
denn EINS sind wir alle, wir sind ALLeEINs.

Das Paradoxon von Falschheit und Recht
verbindet Gewissen mit Intuition,
beurteilt Geschehen mit Exposition,
natürlich, weder Gut, noch Schlecht.

Gestolpert über Unvollkommenheit -
(Es wird manchem mit Bedauern klar,
daß er selbst schon immer sein Richter war,
und Dämon und Teufel, die erwähnt,
sind nur aus Gottes Aug' getränt,
aus UNSEREM Aug' ueber UNSEREN Schmerz
ueber UNSERE Lügen an UNSER Herz)
- erreichen wir Besonnenheit.

Epilog

Wär’ die Menschheit eine Pflanze,
einer brächte sie zu Glanze,
ihre Frucht und ihr Verzehr,
ihre Schönheit noch viel mehr,
beflügelt manch Allmächtigkeit,
sich zu verwenden ihrer Zeit.

Doch aus Respekt vor allem Leben,
braucht niemand jemand anzubeten,
seit Ewigkeiten Hand in Hand,
sind wir vereint im Friedensband.

Die Gläubigen und ihre Götter,
ebenso derselben Spötter,
sind beharrlich ihrer Schranken,
die sie sich nur selbst verdanken.

Ob schwarz, ob weiß das Totenkleid,
ob reich geziert und ausgeschmückt,
ist ES, was uns schon bald bedrückt,
in all der nackten Offenheit.

Und wenn wir dann vor Scham versinken,
weil all die alten Sünden winken,
die im Leben gut versteckt
vom Kleid des Glaubens war'n bedeckt,
erkennen wir zu guterletzt,
dass nur das angewandte Wissen
zählt, das sich im Herz gesetzt,
und wir uns nun verändern müssen.

Wo Liebe ward dem Herz verschwiegen,
steht Kälte ins Gesicht geschrieben,
wird sich gefragt, oftmals mit Weinen :
Wie konnt' man sich nur SO verneinen ?

Vergehen an sich Selbst sind genug begangen,
oft braucht da Verstehen eine Leiter zu sein,
sich Selbst gegenüber mit der Ehre zu gedeihen,
endlich mal wieder von Vorn anzufangen.

Die Welt gesehn, sich Selbst erlebt,
verläßt sie jeder wie betreten,
niemand wird mehr von einem reden.
Der Entwicklung stets bestrebt,
treibt es den Geist doch stets voran,
in Sphären jenseits seiner Sinne,
und hält er dort aus Hoffnung inne,
dass er das Selbst erfahren kann.

Und wenn die Seele sich gehäutet,
einzig nur sich Selbst bedeutet,
so widmet sich nach langem Warten,
die Macht der Frucht aus ihrem Garten.

Liebevoll wird der Empfang,
vergoldet durch der Weisheit Schweigen
kühnste Träume übersteigen,
geöffnet wird der Seele Klang.



Zurück zur Hauptseite