Die psychische Blockierung durch das Vaterunser im Christentum als antihumanistische Sekte

Autor: Gerd Raudenbusch
Datum: 22.11.2025

Dialektisch gesehen ist das christliche Konzept der Liebe (agape) untrennbar mit Schuld (peccatum) verknüpft. Der Mensch kann nur geliebt werden, wenn er sich als Sünder begreift – die Liebe Gottes hat als Voraussetzung die Selbstverneinung des Menschen. Diese Struktur führt zu einem Paradox: Die Liebe, die das Christentum verheißt, richtet sich nicht an den lebendigen, sinnlichen Menschen, sondern an den gebrochenen, sich selbst verleugnenden Teil von ihm. Der Mensch soll nicht sich selbst bejahen, sondern „erlöst“ werden, indem er sich an Gott ausliefert. Damit wird Liebe zur Bevormundung – sie verschleiert Herrschaft als Gnade. Nietzsche hat dieses Verhältnis prägnant beschrieben, indem er in der christlichen Moral des Mitleids eine Form der Lebensverneinung sah: das Ideal des Schwachen, der nur durch Erniedrigung seine Würde findet.

Es folgt eine kritische, wie auch psychoanalytisch inspirierte Analyse des Vaterunsers im Lichte des Humanismus, welche die hegemonial-patriarchale Ordnung, die Selbst- und Lebensverneinung sowie die Entmündigung des Individuums durch das Gebet im Christentum offenlegt:

„Vater“ — Patriarchat

Das „Vater“ im Vaterunser symbolisiert untrennbar eine patriarchale Autorität. Die Anrede reproduziert eine Vater-Kind-Hierarchie, in der Gott als absoluter, übergeordneter Herrscher auftritt. Feministische Theologinnen kritisieren dies als Manifestation von patriarchalen Machtverhältnissen, die individuelle und insbesondere weibliche Selbstbestimmung untergraben.. Das "Unser" bestimmt gleich die ganze Menschheit als untergeordnete Gruppe, obwohl die einzig wirklichen Eigenschaften, die ihn verbinden (Menschsein, Leben, Bewußtsein) nicht dazu gehören.


„im Himmel“ — Eskapismus

Die Verortung Gottes „im Himmel“ fördert eine Transzendenz, die die Welt und das Hier-Jetzt-Sein abwertet oder entwertet. Das „Himmel“ als Gegensatz zu „Erde“ erzeugt eine Subjekt-Objekt-Spaltung, die das Diesseits als minderwertig oder unvollkommen erscheinen lässt. Dies kann als spiritueller Eskapismus (Weltflucht) interpretiert werden, der reale, irdische Lebensverhältnisse und Selbstermächtigung fremdsetzt.


„Geheiligt werde dein Name“ — Identitätsverlust

Der Fokus auf den „heiligen Namen“ Gottes fordert die Verehrung eines äußeren Absoluten, wodurch dem Menschen seine individuelle Identität abgesprochen wird. Die Selbstverherrlichung des Menschen wird durch die Verherrlichung Gottes ersetzt. Dies führt zu einem Verlust der Subjektivität zugunsten einer totalen Gottesorientierung.


„Dein Reich komme“ — Zukunftsdiebstahl

Die Bitte um das kommende Reich wird als „Diebstahl“ der eigenen Zukunft verstanden. Hier wird der Glaube an eine göttliche Vorsehung über die persönliche Freiheit und eigene Gestaltungskraft gestellt. Dies schwächt den Glauben an die Möglichkeit, die eigene Zukunft selbst zu formen, und verankert stattdessen ein passives Erwartungsharren.


„Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden“ — Verleugnung der Willenskraft und Spaltung

Dieser Satz fördert Unterwerfung, indem er den eigenen Willen komplett dem göttlichen Willen unterordnet (untergeben). Dies verstärkt zudem die dichotome Spaltung zwischen Subjekt (Mensch) und Objekt (Gott/Himmel) und die illusionäre, eigebildete Trennung von „Himmel“ und „Erde“, die laut moderner, ganzheitlicher Weltanschauung gar nicht existiert.


„Unser tägliches Brot gib uns heute“ — Passive Abhängigkeit, infantile Oralsexualität

Das Bitten um das tägliche Brot impliziert Abhängigkeit und Passivität, da man nicht selbst für das Lebensnotwendige sorgt, sondern es erbittet. Die Assoziation mit der oralen Phase der kindlichen Entwicklung führt zu einer psychoanalytischen Deutung als infantile Haltung, in der man empfängt und schluckt (Hostie), anstatt selbst zu agieren.


„Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“ — Paradoxe Projektion der Schuld

Diese Textstelle projektiert Schuld auf das Individuum und die Gemeinschaft, obwohl nach psychologischer Sicht Schuld eine Projektion äußerer Phantasmen sein kann. Hier wird Schuld zum zentralen menschlichen Zustand erhoben, was Selbstverleugnung und Abhängigkeit von göttlicher Vergebung erzeugt. Das Paraxodon besteht darin, das Phantasma um Erlösung zu bitten, was aber den Glauben daran, also das Phantasma selbst (Gott) verstärkt.


„Und führe uns nicht in Versuchung“ — Verbot von Neugier und Freiheit

Dieser Satz kodiert die Angst vor Versuchung als Ablehnung von Neugierde, Experimentierfreude und Selbstbestimmung. Papst Franziskus hat betont, dass diese Formulierung problematisch ist, weil sie Gottes Rolle missversteht. Dennoch bleibt die Bitte ein Mechanismus der Unterwerfung unter eine fremde Kontrolle.


„Erlöse uns von dem Bösen“ — Polarisierung und moralische Paternalisierung

Hier wird das Böse als absoluter Gegenpol konstruiert, was eine starke moralische Polarisierung und autoritäre Kontrolle produziert. Das Subjekt wird damit in seiner moralischen Position fremdbestimmt und im dualistischen Gut-Böse-Schema gefesselt.


„Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“ — Diebstahl von menschlicher Fülle, Kraft und Erhabenheit

Diese abschließende Lobpreisung überträgt alle positive Attribute exklusiv an Gott. Dadurch wird dem Menschen die Anerkennung seiner eigenen Größe, Kraft und Gegenwart entzogen. Das „in Ewigkeit“ raubt dem Hier und Jetzt seinen selbstbestimmten Wert.


„Amen“ — „So sei es“ (Selbstverleugnung)

Das „Amen“ als Schlussformel ist ein willentliches „So sei es“, eine Zustimmung zur gesamten demütigenden, unterwerfenden Struktur des Gebets, damit also auch zu dieser Rolle als abhängiges, sittlich schwaches Wesen.


Nachwort

Die Dialektik zeigt: Das Christentum vernichtet den Menschen, um ihn zu retten; es predigt Liebe, um Unterwerfung zu erzielen; es verlangt Selbstverzicht und produziert Macht. Sein Antihumanismus ist nicht bloß Zerstörung, sondern jene paradox produktive Verneinung, aus der der moderne Gedanke vom autonomen Ich überhaupt erst hervorgegangen ist.

Als Hauptgründe, an der Religion festzuhalten, werden oft "Tradition" und "Kultur" genannt. Die Tradition der Spanier beispielsweise sperrt einen Stier in eine Arena, welche in der ersten Phase mit wedelnden Tüchern gereizt wird. In der zweiten Phase werden ihm Spieße mit Widerhaken in seinen majestätischen Rücken gestoßen. In der dritten Phase wird dem Tier mit der Lanze der Todesstoß versetzt. Das Ritual soll die heroische Überlegenheit des Menschen dem Tier gegenüber verkörpern. In Wirklichkeit sieht das unschuldige Wesen in dem bis heute durchgeführten traditionellen Ritual in seiner Natur in tausende menschliche Augen, die in Eiseskälte verfolgen, wie es langsam zu Tode gefoltert und geknechtet wird, und es kann nicht verstehen, warum es dieses Leid ertragen muss. Die christlichen Religionen sind, von der Steinigung angefangen über die gesamten "Rituale" hinweg bis heute zutiefst antihumanistisch und werden trotzdem gesellschaftlich geduldet.

Ständige Sündenschuld und Selbstmisstrauen


Verachtung des eigenen Lebens


Die Verleugnung des Ichs als Selbstauslöschung und Selbstverleugnung


Leibfeindlichkeit und Weltverachtung


Natalismus und Homosexualität in der Bibel

Die Bibel vertritt eine stark natalistische Sicht: Kinderreichtum gilt als Segen Gottes, Unfruchtbarkeit als Fluch. Besonders prägnant findet sich dies:

Im Hinblick auf Homosexualität werden besonders folgende Stellen häufig zitiert:

Diese Texte werden im traditionellen Verständnis klar antihomosexuell und exklusiv für Heterosexualität und Fortpflanzung ausgelegt, was aus moderner Sicht als menschen- und lebensverneinend gelesen werden kann.


Die Erbsünde als anti-humanes Mem

Die Erbsündenlehre fixiert die Selbstverachtung im metaphysischen System. Sie postuliert, dass jeder Mensch schon vor seiner eigenen Handlung schuldig sei. Damit wird das Menschsein als solches mit Schuld identifiziert. Diese Konstruktion ist die Grundlage der religiösen Disziplinierung: Nur wer sich schuldig fühlt, lässt sich erlösen. Die Erbsünde ist also das ideologische Werkzeug, mit dem das Christentum die Abhängigkeit des Menschen von der Institution perpetuiert. Im dialektischen Sinne handelt es sich um eine Negation der Negation: Der Mensch wird als schuldlos geboren (Naturzustand), dann für schuldig erklärt (Sündenfall), um durch eine fremde Macht wieder „unschuldig“ gemacht zu werden (Erlösung) – eine geschlossene Schleife der Entmündigung.


Idealisierung der Schwäche und Armut


Die Verleugnung des Lebens durch Askese

Das asketische Ideal (Zölibat, Fasten, Verzicht, Leid als Heil) ist dialektisch das Negativ des Lebens selbst. Es entsteht aus einer Lebensangst, die das Animalische, Triebhafte und Sinnliche abspaltet, um eine „reine“ Sphäre des Geistes oder Göttlichen zu erschaffen. Doch in diesem Versuch, den Körper zu überwinden, produziert das Christentum eine Obsession mit ihm: Sexualität wird dämonisiert, aber omnipräsent; die „Reinheit“ wird zum Denkmal der Entfremdung. Das Kreuz – Symbol des Heils – ist die Dialektik dieses Prozesses: Das Leben wird vernichtet, um angeblich höher wiedergeboren zu werden. Doch das Resultat ist ein Kult des Leidens, in dem Schmerz als Wahrheit und Lust als Täuschung gilt.


Die Dialektik von Humanität und Anti-Humanität

Das Christentum spricht in der Sprache der Liebe vom Hass auf das Menschliche, in der Sprache der Demut vom Triumph des eigenen Absoluten, in der Sprache des Lebens von der Feier des Todes. Seine ethische Größe besteht gerade darin, dass es die Negation des Lebens so heilig zu machen vermochte, dass selbst die Humanität sich nach Bildern der Selbstaufgabe formte.

Das Leben wird zu Beten verleugnet. Doch das Leben ist eine Fahrkarte, die niemals durch das Herabziehen des Ichs, der Innerlichkeit und seiner Integrität entwertet werden dürfte.

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Dies zeigt, dass die Philosophie als Überlegenheit stärker ist als die menschlichenn Pfuhllöcher der Religionen in ihrer Überheblichkeit.


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