Über Biometrie und Gesicht
Autor : Gerd Raudenbusch
Stand : 08.11.2024
Der Tod von Prinzessin Diana und Dodi Al Fayed haben weltweit Kritik an den Paparazzi ausgelöst und dazu beigetragen, dass die Regeln für die Berichterstattung über Prominente und die Schutzmaßnahmen für ihre Privatsphäre verschärft wurden. Umso ironischer ist es, dass London inzwischen stärker als Peking überwacht wird, wie eine Statistik aus dem Jahre 2021 wiedergibt.
Dass Überwachung und Verfolgung das Potential haben, Menschen in den Tod zu treiben - wir sind als Menschen den Fluchttiere zuzuordnen - ist nicht einfach ignorierbar. Immer mehr Organisationen beliebiger Art entwickeln sich zu digitalen Paparazzi und wir haben plötzlich "Follower", denen wir die Teile unseres Lebensinhalts überhaupt nie schenken wollten, mit dem sie uns steuern oder sich an uns bereichern wollen.
So ist es umso erschreckender, dass sich in Grossbritanien neuerdings bereits Szenen, wie in Philip K. Dicks dystopischer Erzählung "Minoriry Report" abspielen.
Inhalt
- Einführung
- Das Gesicht des Menschen
- Das Gesicht als Kommunikationsmedium
- Das Gesicht der Überwachung
- Ethische Implikationen
- Überwachung der Überwachung
Einführung
Unser menschliches Gesicht ist bei genauer Beobachtung kaum zu einer echten Lüge fähig. Sein Gesicht zu ändern, obliegt jedem selbst. Dieser Umstand ist unumstößlich. In andere Gesichter zu sehen und das eigene zu zeigen, darin besteht eigentlich die Freude am sozialen und gesellschaftlichen Zusammensein, solange künstliche Blicke es nicht mit Interessen zu gravieren versuchen, dessen es sich gar nicht ausliefern will.
Paradoxerweise mussten wir vor wenigen Jahren weltweit solidarisch Gesicht zeigen, indem wir es durch Masken verborgen haben. Und die Motivation dazu war die Angst vor Covid 19. Diese Pandemie haben wir gemeinsam erfolgreich besiegt.
Es ist daher nicht nur ein Fehlschluss, sondern womöglich sogar eine gemeinsame kognitive Verzerrung der heutigen Welt, daran festzuhalten, dass es prinzipiell eine gute Idee und eine Wohltat für die freie, demokratische Gesellschaft wäre, das Gesicht von nun an reflexartig für immer aus Angst zu verbergen und den Mann mit der eisernen Maske von sich Besitz ergreifen zu lassen, um sich im Kerker totalitärer und überwachter Systeme wiederzufinden.
Gerade nach den Erschütterungen der letzten Jahre müssen das Individuum und die Garantien seiner Privatsphäre wieder gestärkt werden, damit es die Angst, das Misstrauen und die Paranoia bewältigen kann, die entstanden sind. Damit geben wir der Gesellschaft insgesamt das Vertrauen in die Demokratie und den Gemeinwillen wieder zurück und können den entstandenen Gesellschaftsverfall heilen. Auch vor in moralische Panik verfallener "Wokeness" brauchen wir uns mit klarem Blick nicht zu fürchten !
Wer einem anderen Individuum ohne dessen Zustimmung das Gesicht ändern oder es Dritten verkaufen will, macht sich zur Maske, welche die ursprüngliche Wahrheit dieses Gesichts verbirgt. Und diese Lüge ist immer ein Verbrechen am Menschen selbst.
Wenn der Standesbeamte, der Dich als Bürger mit der Freiheit verheiratet hat, damit anfängt, regelmäßig zu versuchen, mit Deiner Frau zu schlafen oder auf Dein Gemächt schmerzhaften Druck auszuüben, dann solltest Du seine Autorität hinterfragen und ihm mit Bestimmheit helfen, sich deutlich an seine ursprüngliche Berufung erinnern, diese Liebe zu schützen und zu erhalten.
Das Gesicht des Menschen
Das Gesicht ist nicht primär ein Objekt der Kontemplation, sondern etwas, das wir in unserem alltäglichen Umgang mit der Welt und anderen Menschen unmittelbar "zur Hand" haben. Es ist ein Werkzeug der Kommunikation und des Ausdrucks, das wir in seiner Nützlichkeit verstehen, bevor wir es theoretisch betrachten.
Es eröffnet uns einen Zugang zur Welt und zu anderen. Es ist ein Ort, an dem sich das Dasein in seiner Offenheit zeigt und kommuniziert. Ähnlich wie Stimmungen legen sich Gesichter "über alles". Sie sind weder rein innerlich noch äußerlich, sondern schaffen eine Atmosphäre, in die wir eintauchen.
Das Gesicht des Anderen konfrontiert uns mit der Faktizität unseres ungeschminkten Daseins. Es starrt uns an und erinnert uns an unsere Geworfenheit in die Welt. In diesem Sinne können wir das Gesicht als ein Zeichen verstehen, das über sich selbst hinausweist. Es verweist auf die Existenz des Anderen, auf das, was sich unserem vollständigen Zugriff entzieht.
Im Gesicht zeigt sich das Wesen des Menschen in seiner Unverborgenheit, während es gleichzeitig Aspekte verbirgt. Es ist ein Ort, an dem sich Wahrheit im Sinne von "aletheia" ereignet. Es ruft uns in die Verantwortung. Es stellt uns vor die Entscheidung, wie wir uns zum Anderen verhalten. In der Begegnung mit dem Gesicht des Anderen werden wir mit der Möglichkeit konfrontiert, authentisch zu sein oder in die Uneigentlichkeit zu verfallen.
Das Gesicht als Kommunikationsmedium
Das Gesicht erfüllt verschiedene Funktionen in unterschiedlichen sozialen Systemen. In der Wirtschaft kann es als Marke oder Repräsentation dienen, im Rechtssystem als Identifikationsmerkmal, und im politischen System als Symbol für Macht und Autorität.
Das Gesicht dient als Komplexitätsreduktionsmechanismus. Es ermöglicht eine schnelle Einordnung und Interpretation in sozialen Interaktionen, indem es visuelle Informationen bereitstellt, die zur Orientierung in der Kommunikation genutzt werden können.
Als soziale Adresse spielt das Gesicht eine Rolle bei Prozessen der Inklusion und Exklusion. Es kann als Marker für Zugehörigkeit oder Ausschluss fungieren, indem es bestimmte Merkmale sichtbar macht, die in verschiedenen sozialen Kontexten unterschiedlich bewertet werden. Es dient sowohl der Selbstreferenz (wie man sich selbst wahrnimmt und darstellt) als auch der Fremdreferenz (wie man von anderen wahrgenommen wird).
Das Gesicht ist nicht nur Gegenstand direkter Beobachtung, sondern auch einer Beobachtung zweiter Ordnung. Wir beobachten, wie andere Gesichter beobachten und interpretieren, was wiederum unsere eigene Wahrnehmung und Darstellung beeinflusst. Das "soziale Gesicht" kann als autopoietisches System verstanden werden, das sich selbst reproduziert und erhält. Es passt sich an soziale Erwartungen an und entwickelt sich in Reaktion auf Kommunikationsprozesse.
Das Gesicht der Überwachung
Biometrische Überwachung ist ein Teil dieser Kommunikationssysteme, in denen Informationen über Individuen gesammelt und verarbeitet werden. Die biometrischen Daten (wie Fingerabdrücke oder Gesichtsmerkmale) fungieren als spezifische Kommunikationsmittel, die Identität und Sicherheit signalisieren.
Durch die Erfassung biometrischer Daten wird eine immense Komplexität reduziert. Gesellschaften streben nach Sicherheit und Ordnung, und biometrische Verfahren versprechen eine objektive Identifikation. Diese Reduktion ermöglicht es, soziale Interaktionen zu vereinfachen, birgt jedoch auch die Gefahr der Entindividualisierung. Individuen werden auf ihre biometrischen Merkmale reduziert, was zu einer Entfremdung von ihrer komplexen Identität führt.
Die Zunahme massenhafter biometrischer Überwachung führt unausweichlich in eine Spirale von Paranoia und Misstrauen und zerstört gesellschaftliches Vertrauen, soziale Kohäsion und damit die demokratische Grundidee. Diese Dynamik hat weitreichende gesellschaftliche und politische Konsequenzen: Sie schränkt Grundrechte ein, verstärkt soziale Spannungen und untergräbt das Vertrauen in staatliche Institutionen. Das Gewöhnen an die ständige Angst vor Überwachung und die daraus folgende Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts wird langfristig jeden Bürger zum Verlust von Verantwortungsbewusstsein und zu Infantilismus mit paternalistischen Zügen führen. In diesem Kontext wird deutlich, dass Überwachung nicht nur ein technisches Problem ist, sondern auch tiefgreifende ethische und soziale Fragestellungen aufwirft.
Sicherheit durch Überwachung
Ein zentrales Motiv der Überwachung ist die Erhöhung der öffentlichen Sicherheit. Regierungen argumentieren häufig, dass umfassende Überwachungsmaßnahmen notwendig sind, um Terroranschläge zu verhindern und die allgemeine Kriminalität zu bekämpfen. Technologien wie die biometrische Gesichtserkennung werden eingesetzt, um potenzielle Bedrohungen in Echtzeit zu identifizieren und verdächtige Aktivitäten zu überwachen.
Die Überwachung wird auch als präventive Maßnahme zur Verhinderung von Verbrechen angesehen. Durch die ständige Überwachung öffentlicher Plätze können Sicherheitskräfte schneller reagieren und Straftaten verhindern, bevor sie geschehen. Dies wird als notwendiger Schritt zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dargestellt.
Automatisierte Systeme zur Gesichtserkennung oder zur Analyse von Kommunikationsdaten ermöglichen es den Behörden, große Datenmengen schnell zu verarbeiten und relevante Informationen herauszufiltern, was die Ermittlungen beschleunigt.
Ein weiteres Motiv ist die politische Kontrolle und Überwachung von Dissens. Regierungen nutzen die Überwachung, um oppositionelle Bewegungen zu beobachten und potenzielle Unruhen zu unterdrücken. In dieser Form führt Überwachung dazu, dass Menschen in ihrer Meinungsäußerung eingeschränkt werden, was als „Chilling Effect“ bezeichnet wird.
Neben Sicherheitsaspekten gibt es wirtschaftliche Motive hinter der Überwachung. Die Sicherheitsindustrie profitiert erheblich von der Entwicklung und dem Verkauf von Überwachungstechnologien, was zu einem Anstieg des Marktes für solche Produkte führt.
Biometrische Überwachungsmaßnahmen können aktuell ohne ausreichende Information oder Einwilligung der Betroffenen durchgeführt werden. Wenn diese nicht über die Art und den Umfang der Überwachung informiert werden, entsteht ein Gefühl der Unsicherheit und des Misstrauens. Dies untergräbt das Vertrauen in den Staat.
Zunahme des Überwachungsdrucks
Überwachung verändert das In-der-Welt-sein, indem sie das eigene in der Welt verankerte, individuelle Dasein in einen Zustand der ständigen Beobachtung versetzt. Die Menschen sind nicht mehr nur Akteure in ihrer Umgebung, sondern werden zu Objekten der Kontrolle. Dies führt zu einer Entfremdung von ihrem eigenen Sein. Das Wissen, dass jede Bewegung potenziell aufgezeichnet wird, lässt Individuen ihre Handlungen überdenken und kann sie davon abhalten, sich frei zu äußern oder zu bewegen. Biometrische Überwachung bedroht damit die Authentizität des Daseins, da Menschen sich unecht verhalten, wenn sie wissen, dass sie beobachtet werden, was ihre Fähigkeit einschränkt, wahrhaftig zu sein. Diese Uneigentlichkeit steht im Widerspruch zum authentischen und aufrichtigen Dasein, das sich selbst und seine Möglichkeiten erkennt.
Bereits die scheinbare Verwendung von biometrischen Überwachungsmaßnahmen, inform von Kamera-Attrappen erzeugt erheblichen psychologischen Druck auf den Menschen, ohne dass tatsächlich eine Überwachung stattfindet und ist manipulative Taktik, um menschliches Verhalten zu steuern, was wiederum Zweifel an der Aufrichtigkeit der Absicht aufwirft. Dieser Druck beeinflusst das Verhalten der Menschen und schafft eine Atmosphäre des Misstrauens. Es ist eine subtile Form der Kontrolle, die das individuelle Dasein in Frage stellt.
Vertrauensverlust durch Angst
Das "Gesicht" der biometrischen Überwachung ist kalt, unsichtbar und anonym. Die ständige Überwachung zwingt Menschen dazu, ihr Verhalten zu ändern, um nicht negativ aufzufallen. Die Überwachung greift tief in die Persönlichkeitsrechte ein und verletzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Damit demotiviert sie scharf das respektvolle Miteinander, welches ursprünglich durch Vertrauen und Offenheit geprägt ist.
Mit der Implementierung biometrischer Systeme wird die Anonymität im öffentlichen Raum zunehmend infrage gestellt. Menschen sind nicht mehr anonym; ihre Identität kann jederzeit erfasst und analysiert werden. Dies führt zu einem tiefen Misstrauen gegenüber anderen und gegenüber Institutionen, die diese Technologien einsetzen. Wenn Bürger das Gefühl haben, dass sie jederzeit identifiziert werden können, entsteht ein Klima des Misstrauens gegenüber staatlichen und privaten Akteuren.
Es führt zu einer Form von Unaufrichtigkeit, da Individuen nicht mehr authentisch agieren können. Sie verbergen ihre wahren Gedanken und Gefühle aus Angst vor Repressionen oder Missverständnissen. Die Praxis der Überwachung widerspricht ihren eigenen Werten und verstärkt ihren Vertrauensverlust zu Institutionen. Es mehren sich Gefühle von Ausbeutung oder Manipulation, was die Glaubwürdigkeit des Überwachungsapparats an sich in Frage stellt.
Das geschürte Misstrauen führt dazu, dass jeder als potenzieller "Trittbrettfahrer" wahrgenommen wird, der von den Regeln profitiert, ohne selbst einen Beitrag zu leisten. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre Handlungen ständig überwacht werden und sie für ihre Aufrichtigkeit bestraft werden könnten, neigen sie ausserdem dazu, sich dumm zu stellen oder sich konformistisch zu verhalten, um nicht ins Visier der Überwachung zu geraten. Dadurch erodiert das allgemeine Vertrauen in die Gemeinschaft und verstärkt das Gefühl der Isolation.
In der Spieltheorie stellt das Trittbrettfahrerproblem ein Phänomen dar, bei dem Individuen den Nutzen eines öffentlichen Gutes genießen, ohne dafür zu zahlen. In einem Überwachungssystem können Menschen bewusst so handeln, als ob sie kooperativ sind, während sie tatsächlich versuchen, ihren eigenen Vorteil zu maximieren. Diese Dynamik wird durch die Überwachung verstärkt: Wenn Menschen glauben, dass andere sich dumm stellen oder nicht kooperieren wollen, wird dies dazu führen, dass auch sie sich unaufrichtig verhalten.
Die Überwachung kann auch auf bestimmte Gruppen abzielen, was speziell das Misstrauen innerhalb dieser Gemeinschaften verstärkt. Die Uiguren in Xinjiang sind ein Beispiel dafür, wie ethnische Minderheiten unter dem Vorwand der Sicherheit überproportional überwacht werden. In China wird die Bevölkerung durch ein umfassendes System biometrischer Überwachung kontrolliert, das Gesichtserkennung, Bewegungsdaten und andere persönliche Informationen umfasst. Dieses chinesische Sozialkreditsystem ist dabei ein praktisches Beispiel für diese Dynamik: Bürger werden für konformes Verhalten belohnt und für abweichendes Verhalten bestraft. Diese Belohnungssysteme führen dazu, sie sich anpassen, aber ihre wahren Absichten verbergen. Wer beispielsweise in sozialen Medien mit Personen interagiert, die einen niedrigen Punktestand haben oder als "schlecht" gelten, riskiert eigene Punkte zu verlieren. Das führt zu einem Klima des Misstrauens und der Unaufrichtigkeit.
Zunahme von Kriminalität und Korruption
Um nicht ins Visier der Behörden zu geraten, stellen die Chinesen sich prinzipiell dumm, da sie befürchten, dass selbst alltägliche Verhaltensweisen als verdächtig eingestuft werden, was jedoch der Bekämpfung von Kriminalität schadet und Syndikate und mafiöse Strukturen und Korruption wachsen und gedeihen können.
So wird in einem überwachenden Umfeld die Verantwortung gegenüber anderen systematisch untergraben. Das Reduzieren von Menschen zu Objekten wird ihre Fähigkeit, ethisch und verantwortungsvoll zu handeln immer weiter einschränken.
Soziale Spannungen, härtere Protesten und extremer Widerstand entstehen dann dadurch, dass einzelne Gruppen sich verfolgt fühlen oder glauben, dass ihre Rechte verletzt werden, ohne dass sie dies friedlich äußern können. Diese Spannungen werden sich in Form von gesellschaftlichen Konflikten manifestieren. Die politische Instabilität wird den Staat am Ende handlungsunfähig machen.
Wenn Menschen befürchten müssen, dass ihre Äußerungen oder Versammlungen zukünftig überwacht werden, z. B. wenn sie demonstrieren möchten, werden sie weniger bereit sein, sich politisch zu engagieren oder ihre Meinung offen kundzutun. Dies führt zum Tod jeglichen öffentlichen Diskurses und zum Tod aller demokratischen Prozesse.
Da andere nicht mehr ehrlich sind oder versuchen, die gesetzlichen Regeln zu umgehen anstatt zu befolgen, wird dies am Ende jeden dazu motivieren, ebenfalls unethisch zu handeln – sei es durch Betrug oder andere illegale Aktivitäten und die Kriminalität wird wachsen.
Wenn Behörden darauf mit noch intensiverer Überwachung als Maßnahme zur Kriminalitätsbekämpfung auf vermeintliche Bedrohungen reagieren, rechtfertigen sie diese also damit noch weiter. Es entsteht ein Teufelskreislauf.
In Systemen wie dem chinesischen Sozialkreditsystem zeigt sich deutlich: Die ständige Kontrolle fördert nicht nur ein Klima des Misstrauens und der Anpassung; sie rechtfertigt auch die fortlaufende Überwachung unter dem Vorwand der Sicherheit. Letztlich führt es zur Erosion des sozialen Vertrauens und verstärkt die Notwendigkeit für Kontrolle noch weiter – ein Kreislauf mit katastrophalen gesellschaftlichen Konsequenzen.
Das Verwenden mehr persönlicher DATEN führt zum Begehen mehr krimineller TATEN.
Ethische Implikationen
Die eigentliche Intension der biometrischen Überwachung, für mehr Sicherheit und Ordnung zu sorgen, bewirkt, weil der Prozess mit Misstrauen beginnt, implizit das genaue Gegenteil und spielt sich eine falsche Daseinsberechtigung in die Hände, welche gesellschaftsschädigend ist.
Wenn ausserdem mit der fortschreitenden Zeit ihrer unangemessenen Über-Etablierung die Überwachung zunehmend als "normalisiert" angesehen wird (»"Die" sehen doch sowieso alles«), dann verringert sich damit das subjektive Bewusstsein für die mit Überwachung verbundenen Risiken und Gefahren der Heuchelei und des Verlustes der Selbstbestimmtheit und der Demokratie.
Die Blindheit für den bereits vorhandenen Überwachungsdruck etabliert ein unterschwelliges Gefühl von Angst und Kontrolle, das gar nicht mehr bewusst wahrgenommen wird. Stattdessen entsteht Unsicherheit bei einfachsten Fragen des Handlungswillens, ob es denn überhaupt erlaubt ist, was man tun will. Damit wächst die Ohnmacht und einstmals erwachsene, selbstbestimmte und selbstbewusste Menschen machen "Schäfchen", bzw. infantilen erwachsenen Kindern Platz.
Das Recht auf Privatsphäre ist ein wichtiger Teil jedes kommunikativen Systems, welches durch soziale Normen und Erwartungen definiert wird. Wenn diese Normen durch invasive Technologien untergraben werden, führt dies zum Verlust sozialer Kohäsion, weil Vertrauen eben der nötige "Klebstoff" einer jeden menschlichen Beziehung ist.
Das Viele der Gesellschaft lebt von dem Einen des Individuums.
Durch die ständige Verletzung von Persönlichkeitsrechten steht die biometrische Überwachung bis zuletzt als Ausdruck eines autoritären Führungsstils da, der so ungebremst wie heute nicht mehr als aufrichtige Absicht zur Verbesserung des gemeinsamen sozialen Lebensumfeldes erkennbar ist und in unethischem Lichte steht.
Überwachung der Überwachung
Die Reflexion über diese Technologien erfordert ein kritisches Bewusstsein für die technischen, ethischen und sozialen Implikationen ihrer Nutzung, sowie auch für die beteiligten Machtverhältnisse, die sie reproduzieren oder verändern können.
Wieviel Vertrauen kann man kontrollieren ? Und wieviel Kontrolle kann man vertrauen ? Im Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Vertrauen erscheinen die bisherigen Massnahmen der biometrischen Überwachung noch zu kurzsichtig. Eine allgemeingültige Richtschnur dazu fehlt.
Technische Aspekte
Aus der Sicht von IT-Sicherheitsexperten ist es verantwortungslos, die gesellschaftliche Ordnung leichtfertig in die Hände von digitaler Technik zu legen, die intransparent und inadäquat ist, oder angreifbar sein kann und dsdurch ihrer unkontrollierten Verwendung ausgeliefert ist.
Wer hat Zugang zu den Daten? Wer kontrolliert deren Verwendung? Diese Fragen sind entscheidend für das Verständnis der sozialen Dynamiken im Kontext der biometrischen Überwachung. Biometrische Überwachung erfordert ein hohes Maß an Vertrauen in die Systeme, die diese Daten verarbeiten. Wenn dieses Vertrauen erschüttert wird – etwa durch Datenschutzskandale oder Missbrauch – löst dies immer einen Vertrauensverlust in die Technik und die gesellschaftliche Ordnung, die sie blind duldet aus.
So macht Lufthansa bereits Werbung für kontaktloses Reisen durch biometrische Gesichtserkennung. Die Star Alliance Group, zu der Lufthansa gehört, hatte jedoch gerade erst ein riesiges Datenleck zu stopfen.
Im biometrischen Überwachungsdschungel kann man sich als Einzelner nur sehr begrenzt schützen :
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Um sich am Flughafen gegen die biometrische Gesichtserkennung zu wehren, müsste man wohl spezielle Sonnenbrillen tragen.
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Um Profilbilder in sozialen Medien vor der automatischen biometrischen Erfassung zu schützen, könnte man Programme, wie fawkes mit offenem Quellcode oder lowkey verwenden.
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Um sich bis zur Konfliktlösung durch adäquate Überwachungsgesetze persönlich einer digitalen Doppelmoral ausliefern zu können, könnten steganographische Tools, wie z. B. Stego online verwendet werden, und damit persönliche Daten als belanglos zu tarnen
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Die Verschlüsselungssoftware Veracrypt bietet einen nicht nachweisbaren doppelten Boden.
Doch diese Lösungen dienen Einem, der den Staat zum Feind nimmt, anstatt einer von Allen zu sein, denen bewusst ist, dass ihnen dieser Staat die ganze Zeit gehört.
Gesetzliche Aspekte
Ohne eine echte Handhabe bewegen wir uns ewig im Überwachungs-Dschungel, der den Wildwuchs übertriebener und ungerechtfertigter Kontrolle einfach duldet und damit das Ausüben von Überwachungsdruck ermöglicht.
Die rasante Entwicklung von Überwachungstechnologien durch neue Unternehmen hat deren Einsatz erleichtert und gefördert. Die leichte Verfügbarkeit leistungsfähiger Kameras und Datenanalysetools ermöglicht es Privatpersonen, Unternehmen und Staaten, umfassende Überwachungsnetze aufzubauen, ohne rechtliche Rahmenbedingungen berücksichtigen oder öffentliche Zustimmung einholen zu müssen!
Es fehlen Gesetze, die diesen Überwachungsdschungel nachhaltig kultivieren, um die freie und demokratische Gesellschaft zu erhalten.
Da die Verhältnismäßigkeit bisher immer wieder nicht gewahrt wird, obwohl die rechtliche Rahmenbedingungen für die biometrische Überwachung erfordern sollten, dass solche Maßnahmen nur dann ergriffen werden, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Ziels notwendig sind, müssen wir weitere Massnahmen ergreifen, die dies erreichen :
- Wir brauchen gesetzliche Grundlagen, die die Privatsphäre des Einzelnen ausnahmslos und unzweifelhaft auf der Grundlage seiner unveräußerlichen Menschenrechte garantieren.
- Wir brauchen ein von Wirtschaftsinteressen freies Team von IT-Sicherheitsexperten, das die Planung und Einführung staatlicher IT-Systeme begleitet und ihre Sicherheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit garantiert.
- Wir müssen Ethical Hacking entkriminalisieren und aktuelle Gesetze, wie §202c des deutschen Strafgesetzbuches überarbeiten, da dieses Gesetz die Verwendung bestimmter Tools zu sehr in Frage stellt, obwohl diese zur Verbesserung der gesamten IT-Sicherheit eingesetzt werden.
- So, wie das Institute of Standards and Technology (NIST) in Amerika die National Vulnerability Database (NVD) betreibt, brauchen wir eine eigene frei zugängliche nationale oder europäische Datenbank über bekannte Sicherheitslücken, zu der jeder beitragen kann und allgemein verbindliche, Regularien, um mit Zero-Day-Lücken umzugehen.
- Anstatt dass immer und immer wieder Jahre ins Land gehen müssen, bis das Bundesverfassungsgericht auf Zeit gespielte Überwachungs-Experimente beendet, brauchen wir eine solide, verbindliche Überwachung und Regulation für Überwachungstechnologien, gegenüber denen Hersteller, Verwender und auch der Staat selbst sich transparent verantworten, um damit langfristig und von Anfang an die dazu notwendige Verhältnismäßigkeit zu garantieren, um Vertrauen zu schaffen, anstatt das Vertrauen in Staat und Gesellschaft großer Bevölkerungsanteile unnötig den dialektischen Machtspielen zwischen Kontrolle und Vertrauen auszusetzen und den gesellschaftlichen Frieden damit unnötig aufzupeitschen.