Sprechen sprechen
Autor : Gerd Raudenbusch
Stand : 15.12.2024
Inhalt
- Denker der Stille und des Schweigens
- Die Unhörbarkeit von Stille
- Die Unberührtheit der Stille
- Arten der Stille
- Negativraum und Negativsprache
- Die Grenze zum Unaussprechlichen
- Arten des Schweigens
- Interaktion der Stille und des Schweigens
- Sprache als Spiegel
Denker der Stille und des Schweigens
Die folgende Tabelle stellt dar, was Paul Sartre, Heidegger, Wittgenstein, Chomsky, Gregory Bateson, Heinz von Foerster, Gotthard Günther, Paul Watzlawick, Udo Küppers, Peter Sloterdijk, Pierce, George Spencer Brown, Niklas Luhmann, Jürgen Habermas, Anna Schreiber und Thomas Metzinger über Stille und Schweigen sagen, wie sie die Grenze zum Unaussprechlichen definieren und beweisen, wie sie sie gefunden haben und in welchen Werken sie darüber berichten :
Denker | Ansicht über Stille/Schweigen | Grenze zum Unaussprechlichen | Werke |
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Jean-Paul Sartre | Stille als Raum für Selbstfindung; Schweigen kann existenzielle Bedeutung haben. | Das Unsagbare ist das, was das Subjekt nicht ausdrücken kann, aber erleben kann. | "Das Sein und das Nichts" |
Martin Heidegger | Stille als Weg zur ontologischen Einsicht; Schweigen ermöglicht ein tieferes Verständnis des Seins. | Die Grenze liegt im Wesen des Seins selbst, das sich nicht vollständig in Worte fassen lässt. | "Sein und Zeit" |
Ludwig Wittgenstein | Sprache hat Grenzen; das Unsagbare zeigt sich in der Stille zwischen den Worten. | „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ – die Grenze ist die Sprache selbst. | "Tractatus Logico-Philosophicus" |
Noam Chomsky | Schweigen als kritische Reflexion über Sprache; Stille erlaubt es, über die Struktur von Sprache nachzudenken. | Die Grenze zum Unaussprechlichen ist die Fähigkeit, Gedanken zu formulieren oder zu dekonstruieren. | "Syntactic Structures" |
Gregory Bateson | Stille als Kommunikationsform; Schweigen kann tiefere Bedeutungen transportieren. | Die Grenze ist die Unfähigkeit, komplexe Beziehungen in Worte zu fassen. | "Geist und Natur: Eine notwendige Einheit" |
Heinz von Foerster | Schweigen als Teil des Kommunikationsprozesses; es ist wichtig für das Verständnis zwischen den Menschen. | Die Grenze ist das, was nicht kommuniziert werden kann, aber dennoch existiert. | "Understanding Understanding" |
Gotthard Günther | Stille als Möglichkeit der Reflexion und des Denkens; Schweigen öffnet neue Perspektiven. | Die Grenze ist der Bereich des Unbewussten und des Nicht-Wissbaren. | "Das Bewusstsein der Maschinen: Metaphysik der Kybernetik" |
Paul Watzlawick | Schweigen kann sowohl Zustimmung als auch Ablehnung bedeuten; es ist ein aktiver Teil der Kommunikation. | Die Grenze zum Unaussprechlichen liegt in der Interpretation von nonverbalen Signalen. | "Anleitung zum Unglücklichsein" |
Peter Sloterdijk | Stille als Raum für neue Gedanken; Schweigen ermöglicht eine tiefere Verbindung zur Welt. | Die Grenze liegt im Bereich des Unaussprechlichen, wo Worte versagen. | "Sphären I: Blasen" |
Charles Sanders Peirce | Schweigen als Teil des Zeichenprozesses; es gibt Dinge, die nur durch Stille erfasst werden können. | Die Grenze ist das, was jenseits der Zeichen liegt und nur durch Erfahrung verstanden werden kann. | "Collected Papers of Charles Sanders Peirce" |
George Spencer-Brown | Stille als Möglichkeit zur Neudefinition von Begriffen; Schweigen ist notwendig für kreative Prozesse. | Die Grenze liegt in der Unfähigkeit, bestimmte Dinge zu definieren oder zu beschreiben. | "Laws of Form" |
Niklas Luhmann | Stille als Teil der sozialen Kommunikation; Schweigen hat einen funktionalen Aspekt in Systemen. | Die Grenze ist das, was nicht kommuniziert wird und dennoch Einfluss hat. | "Soziale Systeme" |
Jürgen Habermas | Schweigen kann sowohl als Unterdrückung als auch als kritische Reflexion interpretiert werden; es spielt eine Rolle im Diskurs. | Die Grenze liegt im Bereich der ungesagten Normen und Werte in der Kommunikation. | "Theorie des kommunikativen Handelns" |
Anna Schreiber | Stille als Möglichkeit zur Selbstreflexion und inneren Klarheit; Schweigen hat therapeutische Aspekte. | Die Grenze ist das persönliche Erleben, das nicht immer verbalisiert werden kann. | "Phänomenologie des Schweigens" |
Thomas Metzinger | Stille als Zustand des Bewusstseins; Schweigen ermöglicht es, den Geist zu klären und Einsichten zu gewinnen. | Die Grenze zum Unaussprechlichen ist die Komplexität des Bewusstseins selbst und dessen Phänomene. | "Der Ego-Tunnel" |
Die Unhörbarkeit von Stille
Stille wird oft als die Abwesenheit von Geräuschen verstanden, doch sie ist ein komplexes Phänomen, das mehr umfasst als nur das Fehlen von Klang.
In der Akustik wird Stille als Schall beschrieben, der unterhalb der Hörschwelle liegt. Das bedeutet, dass die Energie dieser Schallwellen zu gering ist, um vom menschlichen Ohr wahrgenommen zu werden. Diese Hörschwelle variiert je nach Frequenz und kann sich mit dem Alter oder aufgrund von Hörschäden verändern.
Neuere Forschungen zeigen, dass unser Gehirn Stille nicht einfach als das Fehlen von Geräuschen wahrnimmt, sondern als eigenständiges Phänomen. Das Gehirn reagiert auf Stille ähnlich wie auf andere Klänge, was darauf hindeutet, dass wir Stille tatsächlich „hören“ können, auch wenn sie unhörbar ist.
Stille hat die Fähigkeit, sich zurückzuziehen oder zu weichen, insbesondere in musikalischen Kontexten. Komponisten nutzen diese Dynamik, indem sie Leerstellen oder Pausen schaffen, die den Raum für Klänge öffnen. Diese Pausen sind nicht einfach leere Momente; sie sind entscheidend für die Struktur und den Ausdruck eines Musikstücks.
Der Klang wird durch das Aufhören und die Unterbrechung seiner Kontinuität definiert. Wenn Klänge entstehen und wieder verstummen, schafft dies einen Raum der Stille, der gleichzeitig präsent ist. Dieser Raum wird durch die Abwesenheit von Klang lebendig und ermöglicht eine tiefere Wahrnehmung.
Stille kann auch emotional wirken. Sie bietet Raum für Reflexion und innere Ruhe. In einer Welt voller Geräusche kann das Erleben von Stille eine Quelle der Kraft und des Stressabbaus sein.
John Cages Werk 4'33" ist ein bedeutendes Beispiel für die experimentelle Musik des 20. Jahrhunderts und wurde 1952 uraufgeführt. Es besteht aus drei Sätzen, die insgesamt 4 Minuten und 33 Sekunden dauern, wobei während dieser Zeit keine konventionellen musikalischen Töne erzeugt werden. Stattdessen sitzen die Musiker still auf der Bühne, und die Geräusche der Umgebung werden zum zentralen Element der Aufführung.
Cage entwickelte 4'33" zwischen 1947 und 1948, während er an anderen Kompositionen arbeitete. Die Idee hinter dem Stück war, die Wahrnehmung von Musik und Stille zu hinterfragen. Cage glaubte, dass es keine absolute Stille gibt; selbst in scheinbar ruhigen Momenten sind immer Geräusche präsent. Er wollte das Publikum dazu anregen, diese Umgebungsgeräusche bewusst wahrzunehmen und als Teil der musikalischen Erfahrung zu akzeptieren. Cage formulierte es so: „Es gibt keine Stille. Das, was man als Stille empfindet, ist voller Geräusche“.
Das Stück stellt die traditionelle Auffassung von Musik in Frage und hat eine provokante Wirkung auf das Publikum. Es fordert die Zuhörer auf, ihre Erwartungen an Musik zu überdenken und sich auf die Klänge ihrer Umgebung zu konzentrieren. Cages Ziel war es, den Fokus von der Musik selbst auf den Akt des Zuhörens zu lenken und damit eine neue Dimension des musikalischen Erlebens zu eröffnen.
4'33" gilt als Schlüsselwerk der Neuen Musik und hat weitreichenden Einfluss auf verschiedene Kunstformen, einschließlich Popkultur und elektronische Musik. Es wird oft als Beispiel für Cages Philosophie zitiert, dass alle Klänge potenziell zur Musik werden können, was auch den Einfluss des Zen-Buddhismus auf seine Arbeit widerspiegelt.
Arten der Stille
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Natürliche Stille: Dazu gehören spezifische Tageszeiten wie Morgenstille oder Nachtstille, die mit besonderen emotionalen oder spirituellen Erfahrungen verbunden sind. Die Morgenstille beispielsweise wird oft als besonders rein und erholsam beschrieben. Sie symbolisiert einen Neuanfang und wird in vielen Kulturen als Zeit der Besinnung geschätzt.
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Selbstgewählte Stille: Eine Form der Stille, in der sich Individuen bewusst an einen ruhigen Ort zurückziehen, um störende Geräusche auszublenden. Diese Art der Stille fördert das Wohlbefinden und die Konzentration.
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Meditative Stille: In religiösen Kontexten, wie im Buddhismus oder Christentum, spielt Stille eine zentrale Rolle in der Meditation und im Gebet. Diese Stille dient der Konzentration und dem inneren Frieden. In religiösen Praktiken wird sie oft mit dem Erleben einer "höheren Wirklichkeit" assoziiert.
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Dramaturgische Stille: In der Kunst, insbesondere im Theater und Film, wird Stille bewusst eingesetzt, um Spannung zu erzeugen oder emotionale Momente zu verstärken.
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Soziale Stille: Diese tritt in zwischenmenschlichen Beziehungen auf, wenn Menschen ohne Worte kommunizieren. Oft ist dies ein Zeichen von Verständnis oder Einvernehmen.
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Absolute Stille: Diese wird oft als beklemmend empfunden und kann zu psychischen Belastungen führen, wenn sie über längere Zeit anhält. In extremen Fällen wird sie als Foltermethode eingesetzt.
Die Unberührtheit der Stille
Thomas Schreiber beschreibt die säkularen Stille als einen Zustand, der durch die Abwesenheit von religiösen oder spirituellen Ausdrucksformen in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft charakterisiert ist. In diesem Kontext wird die Stille nicht nur als Mangel an Geräuschen oder Worten verstanden, sondern auch als eine tiefere, existenzielle Dimension, in der das Fehlen von religiösem Bezug und Sinngebung spürbar wird.
Merkmale der sakulären Stille :
1. Abwesenheit von Religion:
Schreiber thematisiert, dass in einer säkularisierten Welt die traditionellen religiösen Praktiken und Überzeugungen an Bedeutung verlieren. Diese Abwesenheit führt zu einer Stille, die oft mit einer Entfremdung von spirituellen Werten einhergeht.
2. Existenzielle Leere:
Die sakuläre Stille kann auch als Ausdruck einer existenziellen Leere interpretiert werden. In der Abwesenheit von religiösen Narrativen und Gemeinschaften entsteht ein Raum, der zwar still ist, aber auch Fragen nach Sinn und Identität aufwirft.
3. Reflexion und Nachdenklichkeit:
Schreiber weist darauf hin, dass diese Stille Raum für Reflexion bieten kann. Sie lädt dazu ein, über persönliche Werte und Überzeugungen nachzudenken und möglicherweise neue Wege zu finden, um mit der eigenen Spiritualität umzugehen – auch ohne die traditionellen religiösen Strukturen.
4. Kulturelle Dimension:
Die sakuläre Stille hat auch eine kulturelle Dimension. In einer Gesellschaft, die von lauten und ständigen Kommunikationsströmen geprägt ist, wird das Schweigen oder die Stille oft als unbequem empfunden. Schreiber argumentiert, dass diese kulturelle Abneigung gegen das Schweigen dazu führt, dass wichtige innere Prozesse vernachlässigt werden.
Negativraum und Negativsprache
Die Untersuchung der Korrelationen zwischen Martin Heideggers Negativraum und Gotthard Günthers Negativsprache in Bezug auf die Reflexion des Nichtvorhandenen bzw. des Unaussprechlichen eröffnet interessante philosophische Perspektiven.
Martin Heideggers Negativraum
Martin Heidegger, ein zentraler Denker des 20. Jahrhunderts, befasst sich in seinen späten Arbeiten intensiv mit der Sprache und dem, was jenseits des Aussprechbaren liegt. Sein Konzept des Negativraums bezieht sich auf die Idee, dass das Unaussprechliche und das Nichtvorhandene eine fundamentale Rolle im menschlichen Dasein spielen. Heidegger argumentiert, dass die moderne Technik und die damit verbundene metaphysische Sichtweise den Menschen von einem authentischen Verhältnis zur Welt entfremden. Er plädiert dafür, dass der Mensch nicht als Herrscher über die Erde agieren sollte, sondern vielmehr als ein "sterblicher Gast", der in einem komplexen Netzwerk von Beziehungen wohnt.
In seinen Überlegungen zu Sprache und Bedeutung versucht Heidegger, die Einseitigkeit traditioneller metaphysischer Ansätze zu überwinden. Er sieht in der Sprache einen Weg, um das Unaussprechliche zu reflektieren, indem er auf die historische Dimension der Sprache hinweist. Diese Dimension ermöglicht es, das Nichtvorhandene als Teil eines größeren ontologischen Rahmens zu begreifen.
Gotthard Günthers Negativsprache
Gotthard Günther hingegen entwickelt das Konzept der Negativsprache als eine Reaktion auf die Begrenzungen traditioneller positiver Wissenschaftssprachen. In seiner Theorie beschreibt er eine Sprache, die nicht denotativ ist und somit versucht, jenseits von dualistischen Strukturen zu operieren. Günther kritisiert die Tendenz der klassischen Logik, die Realität in strikte Kategorien zu zwängen, und schlägt vor, dass eine Negativsprache es ermöglichen könnte, komplexe und oft widersprüchliche Erfahrungen besser zu erfassen.
Günthers Ansatz basiert auf der Annahme, dass es keine primäre Positivität gibt; stattdessen müssen Werte und Bedeutungen als dynamische Prozesse verstanden werden. Die Negativsprache zielt darauf ab, diese Dynamik durch flexible Kategorien zu reflektieren, die sich gegenseitig regulieren können. Dies steht im Gegensatz zur traditionellen Logik, die oft starre binäre Entscheidungen fordert.
Die Korrelation zwischen Heideggers Negativraum und Günthers Negativsprache lässt sich in mehreren Aspekten erkennen:
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Reflexion des Unaussprechlichen: Beide Denker beschäftigen sich mit dem Unaussprechlichen und dem Nichtvorhandenen. Während Heidegger dies durch ontologische Überlegungen zur Daseinsweise tut, versucht Günther dies durch eine innovative sprachliche Struktur.
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Kritik an der Metaphysik: Sowohl Heidegger als auch Günther kritisieren die metaphysische Tradition und deren Auswirkungen auf das Denken und die Sprache. Sie fordern eine neue Herangehensweise an Wissen und Bedeutung.
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Dynamik der Bedeutung: In beiden Konzepten wird Bedeutung nicht als feststehend betrachtet, sondern als etwas Dynamisches und Relatives. Heideggers historische Sichtweise auf Sprache korrespondiert mit Günthers flexibler Kategorisierung in der Negativsprache.
Die Grenze zum Unaussprechlichen
Wittgensteins Konzept des Unaussprechlichen ist ein zentraler Aspekt seiner philosophischen Überlegungen, insbesondere im Tractatus logico-philosophicus. Der Beweis für die Existenz des Unaussprechlichen basiert auf seiner Unterscheidung zwischen dem, was gesagt werden kann, und dem, was nur gezeigt werden kann.
Grundkonzepte
Sagen vs. Zeigen
Wittgenstein führt die Unterscheidung zwischen "sagen" und "zeigen" ein, um die Grenzen der Sprache zu definieren. Er argumentiert, dass es Aussagen gibt, die über das sprachlich Artikulierbare hinausgehen. Ein Satz kann die Realität abbilden und damit eine Bedeutung haben, aber es gibt auch Phänomene, die sich nur zeigen lassen und nicht in Worte gefasst werden können. Dies wird in der Aussage zusammengefasst: „Was gezeigt werden kann, kann nicht gesagt werden“ (TLP 4.1212) .
Die Grenze der Sprache
Wittgenstein postuliert, dass die Grenzen unserer Sprache auch die Grenzen unserer Welt sind: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“ (TLP 5.6) . Diese Aussage verdeutlicht, dass alles, was jenseits dieser sprachlichen Grenzen liegt, nicht sinnvoll ausgedrückt werden kann. Das Unaussprechliche umfasst demnach Bereiche wie Ethik, Ästhetik und das Religiöse, die sich nur im Sinne des „Zeigens“ manifestieren können .
Das Mystische
Wittgenstein beschreibt das Unaussprechliche als das Mystische: „Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich, es ist das Mystische“ (TLP 6.522) . Damit wird deutlich, dass das Mystische nicht einfach ignoriert werden kann; es ist eine Dimension menschlicher Erfahrung, die sich zwar nicht verbal ausdrücken lässt, aber durch andere Mittel wahrgenommen werden kann.
Die Methode des Schweigens
Ein zentrales Element von Wittgensteins Argumentation ist das sogenannte Schweigegebot: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ (TLP 7) . Diese Aussage impliziert eine ethische Dimension in der Philosophie: Es gibt Dinge, die für uns von Bedeutung sind, aber über die wir nicht sinnvoll reden können. Das Schweigen wird somit zu einer Form des Respekts gegenüber dem Unaussprechlichen.
Wittgensteins Beweis für das Unaussprechliche beruht auf der grundlegenden Einsicht, dass Sprache ihre eigenen Grenzen hat. In seinem Werk zeigt er auf, dass es Aspekte der menschlichen Erfahrung gibt – wie Liebe, Tod oder das Religiöse –, die sich nur zeigen lassen und nicht in Worte gefasst werden können. Diese Erkenntnis führt zu einem tiefen Verständnis der Beziehung zwischen Sprache und Welt und zu einer Reflexion über das Wesen des Mystischen in unserem Leben.
Arten des Schweigens
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Schweigen aus Zustimmung: Manchmal ist Schweigen eine Form des stillen Einvernehmens, wo Worte überflüssig sind.
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Schweigen aus Unverständnis: In emotionalen Situationen kann es besser sein, zu schweigen, um Raum für Gefühle zu lassen, die noch nicht verbalisiert werden können.
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Strategisches Schweigen: In Konflikten kann Schweigen eine Strategie sein, um unnötige Diskussionen zu vermeiden oder um die eigene Position zu wahren.
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Taktisches Schweigen: Oft verwendet in Konfliktsituationen, um Machtverhältnisse zu beeinflussen oder Manipulation zu betreiben.
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Taktvolles Schweigen: Dies wird als respektvolles Schweigen während eines Gesprächs verstanden, das Raum für Reflexion und Nachdenken lässt.
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Schweigen als Reflexion: Pausen im Gespräch ermöglichen es den Teilnehmern, ihre Gedanken zu sortieren und tiefergehende Verbindungen herzustellen.
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Beredtes Schweigen: Hierbei handelt es sich um ein Schweigen, das trotz Abwesenheit von Worten eine starke Botschaft vermittelt.
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Konventionelles Schweigen: Dieses findet in sozialen Kontexten statt, wie bei Beerdigungen oder in Bibliotheken, wo es als angemessen gilt.
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Schweigen in der Meditation: Ein Zustand des inneren Friedens, der durch Meditation erreicht wird, wobei das Schweigen als Weg zur Selbstreflexion dient.
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Traumatisiertes Verstummen: Ein Zustand, in dem eine Person aufgrund von traumatischen Erfahrungen nicht mehr sprechen kann.
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Kommunikatives Schweigen: Dies geschieht oft in sozialen Interaktionen, wo das Schweigen eine Antwort oder eine Reaktion darstellt.
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Respektvolles Schweigen: Dies geschieht in Gesprächen, um dem anderen Raum zu geben oder Respekt zu zeigen.
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Passives Schweigen: Hierbei handelt es sich um ein Schweigen, das aus Unbehagen oder Unsicherheit resultiert und oft als passiv-aggressives Verhalten interpretiert wird.
Interaktion der Stille und des Schweigens
Die Interaktion zwischen Stille und Schweigen ist dynamisch. Stille kann Raum für Reflexion schaffen, während das Schweigen oft als Reaktion auf äußere Umstände oder innere Konflikte verstanden wird. Laut der Sprachwissenschaftlerin Sina Lautenschläger kann Schweigen auch ein Ausdruck von Macht oder Ohnmacht sein, je nach Kontext und Absicht des Sprechers.
Stille und Schweigen interagieren oft auf komplexe Weise. Während Stille als Zustand wahrgenommen wird, kann Schweigen eine bewusste Entscheidung sein, die Stille zu bewahren oder zu schaffen. Beide Konzepte können sowohl positive als auch negative Konnotationen haben:
- Positive Aspekte: Sie fördern Reflexion, Konzentration und emotionale Tiefe in Gesprächen.
- Negative Aspekte: Sie können auch Isolation oder Missverständnisse hervorrufen, wenn sie nicht richtig interpretiert werden.
Sprache als Spiegel
Wie gut eignet sich die Sprache als Spiegel ?
Nichts kann der Mensch sagen, ohne selbst gesagt zu werden. Er spricht und verspricht sich stets in eine komplette Sagen-Haft, da mit jedem Wort die Möglichkeiten des gesamten Ausdrucks dahin schrumpfen, aber das Gesprochene doch stets unvollständig bleibt, fast so, als wäre am Ende sein Verhallen eine Erlösung dieser Verhaftung.
Dem Menschen fehlen sehr weitreichend die Mittel, sich mit Sprache adäquat in Frage zu stellen. Und die verbale Sprache allein ist es schon dreimal nicht :
- Nicht als Seiende.
- Nicht als Beschreibende.
- Und nicht als beschriebene Beschreibende.
Sie kann nur noch sich selbst abwägen, aber daraus wird niemals Gold. Verbale Sprache kann sich letztendlich nur den bereits zuvor gemachten Erkenntnissen aus höheren Sprachen mit Hilfe der bezeichnenden Macht, die sie hat, bemächtigen. Denn Sprache hat bezeichnende Macht, die jedoch von sich aus keine erkennende, sondern nur transportierende und komponierende Mächtigkeit hat. Die ihr zugrundeliegende Bedeutung ist in Zeichen verortet, die sie selbst zu erfinden gar nicht imstande ist.
Verbale Sprache ist das Stigma jeglicher Bedeutung, also auch das Stigma ihrer eigenen Bedeutung. Sie verwändet (nicht verwendet) Wirklichkeit. Jedes Sprechen ist eine Äußerung des freien Willens seines Reichtums in ihrer Bescheidenheit.
So ist die verbale Sprache so unberührt ohne Erkenntnis, wie das Unaussprechliche, das die Erkenntnis nicht zu sagen imstande ist.