Abwende zum Selbst
Autor: Gerd Raudenbusch
Stand: 15.06.2025
Inhalt
- Abwende zum Selbst
- Inhalt
- Das Zugestehen von Zuständigem anstatt Zuständlichem
- Die gefallene Schönheit und das Gefälle des Gefallens
- Identität als Unberührtheit und Unberührbarkeit
- Wahrheit als Unberührbarkeit der Unberührtheit
- Die Rolle des Kapitalismus für Schönheit und Identität
- Mode als Schönheitsbegriff des Kapitalismus
- Die Schönheit des Geldes
- Missbrauch aller Schönheit durch den Kapitalismus
- Was kann die Kunst?
- Zuwendung und Abwendung
- Die digitale Wende als Wendung zum Selbst
- Quellen
Das Zugestehen von Zuständigem anstatt Zuständlichem
Identität und Schönheit stehen in einem Spannungsfeld zwischen Einzigartigkeit, sozialer Beziehung und gesellschaftlichen Kräften. Nur wenn wir uns als Verantwortliche begreifen, entwickeln wir Initiative, Kreativität und Engagement, die Wachstum fördern. Wachstum – sei es persönlich, sozial oder organisatorisch – entsteht durch das bewusste Übernehmen von Verantwortung. Wenn wir uns wirklich zuständig fühlen und handeln, investieren wir Energie, Zeit und Aufmerksamkeit, was Veränderung und Reife ermöglicht Zuständiges ist nicht nur eine formale Zuweisung, sondern eine innere Haltung. Zuständliches, dagegen, das nur formal besteht, bleibt oft leer und führt zu Stagnation. Ohne tatsächliches Engagement bleibt das Potenzial ungenutzt. Verantwortung bedeutet auch Risiko, Fehler und Belastung. Viele Menschen scheuen sich davor, weil sie Angst vor Versagen oder Überforderung haben. In vielen sozialen und beruflichen Kontexten wird Verantwortung delegiert oder entzogen. Menschen fühlen sich dadurch entmündigt oder glauben, nicht zuständig zu sein. Wer sich selbst nicht zutraut, Verantwortung zu übernehmen, verweigert sich dem Zuständigen-Werden. In manchen Kulturen oder Systemen wird Eigenverantwortung nicht gefördert, sondern Kontrolle und Gehorsam erwartet. Verantwortung erfordert aktives Handeln und Veränderung, was oft unbequem ist. Das Festhalten am Zuständlichen als bloße Pflicht kann eine Schutzfunktion erfüllen.
Die gefallene Schönheit und das Gefälle des Gefallens
Schönheit und Gefallen sind soziale und kulturelle Konstrukte, die stark von Erwartungen und Wahrnehmungen abhängen. Das Bedürfnis, anderen zu gefallen, verstärkt das Gefälle, weil man dadurch – meist auf Kosten der eigenen Authentizität – versucht, eine Hülle (nicht Keroma) zu gestalten, die den angenommenen Erwartungen entspricht. Das Streben nach Gefallen kann dazu führen, dass man diese eigene Hülle so gestaltet, dass sie den fremden Vorstellungen entspricht, was wiederum die Diskrepanz zwischen tatsächlicher Fremdwahrnehmung und eigener Vorstellung vergrößert oder verkleinert.
Die eigene Vorstellung davon, wie der andere einen sieht, beeinflusst, wie man sich verhält und welche Signale man sendet. Gleichzeitig hat der andere seine eigene Vorstellung davon, wie man ihn sieht, und reagiert darauf. Dieses wechselseitige „Überkreuzen“ von Vorstellungen erzeugt eine dynamische Interaktion, in der beide Hüllen – die eigene und die fremde – sich gegenseitig beeinflussen und formen. Es entsteht ein komplexes Geflecht von Erwartungen, Wahrnehmungen und Reaktionen, das Identität und Beziehung prägt.
Das Gefälle zwischen der eigenen Vorstellung davon, was andere über einen denken, und dem, was sie tatsächlich denken, hat mehrere Ursachen, die eng mit Wahrnehmung, Kommunikation und sozialen Dynamiken verbunden sind:
-
Subjektive Verzerrung und Unsicherheit: Menschen neigen dazu, in der Fremdwahrnehmung eigene Ängste, Wünsche oder Unsicherheiten zu projizieren. Das führt dazu, dass die eigene Vorstellung von der fremden Meinung oft überhöht, verzerrt oder ungenau ist. Man interpretiert die Reaktionen anderer durch die eigene innere Brille, was ein „Gefälle“ erzeugt.
-
Kommunikationslücken: Nicht alles, was andere denken, wird klar oder direkt kommuniziert. Oft bleiben Gedanken unausgesprochen oder werden missverstanden, was die Diskrepanz zwischen eigener Vorstellung und Realität vergrößert.
-
Soziale Erwartungen und Rollen: Menschen spielen soziale Rollen und passen ihr Verhalten an Erwartungen an. Die Fremdwahrnehmung ist daher nicht immer authentisch, sondern auch von gesellschaftlichen Normen geprägt, was wiederum die eigene Vorstellung beeinflusst und verfälscht.
Das Gefälle entsteht also durch subjektive Verzerrungen, Kommunikationslücken und soziale Rollen. Schönheit und Gefallen verstärken das Bedürfnis, Erwartungen zu erfüllen, und beeinflussen so die Gestaltung der Hülle. Die wechselseitige Dynamik der Vorstellungen zwischen zwei Personen formt und verändert die Hüllen beider kontinuierlich. Das sind zunächst die zentralen Prozesse für das Verständnis von Identität, sozialer Interaktion und Selbstwahrnehmung.
Transparenz oder Abglanz
Das „Anderen gefallen wollen“ kann zweierlei bedeuten:
-
Transparenz der Hülle, um Glanz zu zeigen: Hier wird die Hülle bewusst durchsichtig gemacht, um authentisch und offen zu erscheinen. Das entspricht dem Wunsch, die eigene Schönheit oder Einzigartigkeit sichtbar zu machen, ohne Verstellung.
-
Abglanz der Vorstellungen anderer: Hier wird die Hülle von den Erwartungen und Bildern anderer geprägt, also ein Spiegel oder Abglanz fremder Vorstellungen. Die eigene Identität wird dadurch teilweise fremdbestimmt und reflektiert die Wahrnehmungen anderer.
Beide Aspekte können gleichzeitig wirken: Man zeigt sich offen, aber die Offenheit ist wiederum durch die fremden Erwartungen gefärbt.
Welche Berührungen der Schönheit genügen
Wenn man Transparenz zulässt, sind Berührungen möglich, die auf gegenseitigem Verstehen, Akzeptanz und Respekt basieren. Diese Berührungen sind nicht nur physisch, sondern auch emotional und intellektuell. Sie entsprechen einer „Schönheit“, die aus Authentizität und Verletzlichkeit entsteht.
- Solche Berührungen sind feinfühlig und achten die Grenzen der Unberührtheit.
- Sie ermöglichen Nähe ohne Auflösung der eigenen Hülle, sondern in einem Dialog zwischen Innen und Außen.
Identität als Unberührtheit und Unberührbarkeit
Die philosophische Tradition, etwa bei Leibniz mit dem Principium identitatis indiscernibilium, betont, dass es keine zwei vollkommen gleichen Dinge gibt, was die Einzigartigkeit des Individuums unterstreicht. Gleichzeitig zeigt sich in moderner Philosophie und Phänomenologie (z.B. bei Butler oder Levinas), dass Identität gerade durch die „Vulnerabilität“ gegenüber dem Anderen konstituiert wird – also durch eine Art „Berührung“, die aber nie vollständige Auflösung bedeutet. Die Unberührbarkeit ist somit keine Isolation, sondern eine Grenze, die das Selbst schützt und zugleich die Grundlage für echte Begegnung und Liebe bildet.
Die Identität jedes Einzelnen kann in einem philosophischen Sinne als die grundsätzliche Unverfügbarkeit und Einzigartigkeit des Selbst verstanden und mit „Unberührtheit“ assoziiert werden. Diese Unberührbarkeit bedeutet, dass niemand je vollkommen von jemand anderem „berührt“ oder vollständig erfasst werden kann – auf keine einzige Weise – weder emotional, geistig, existenziell, noch auf eine andere Art. Diese Grenze, die zwischen Menschen immer besteht, verweist auf die individuelle Einzigartigkeit, weil jedes Bewusstsein und Erleben subjektiv und nicht vollständig teilbar ist.
Wahrheit als Unberührbarkeit der Unberührtheit
Anderen gefallen wollen kann sowohl das Offenlegen der eigenen Schönheit (Transparenz) als auch das Spiegeln fremder Vorstellungen (Abglanz) bedeuten. Transparenz ermöglicht Berührungen, die auf Respekt und Authentizität basieren und somit einer „Schönheit“ genügen. Wahrheit kann als die bewahrte Unberührtheit verstanden werden, die Liebe in ihrer reinsten Form offenbart, als Zustand, in dem die eigene Unberührtheit (die Integrität der Hülle) gewahrt bleibt, während sie zugleich offen genug ist, Liebe und Verbindung zuzulassen. Die „Unberührbarkeit der Unberührtheit“ beschreibt dabei einen Zustand, in dem das Selbst nicht zerstört oder deformiert wird, aber dennoch in Beziehung tritt. Diese Balance offenbart eine tiefe Form von Liebe, die weder Besitz noch Verschmelzung verlangt, sondern Respekt und Freiheit.
Die Rolle des Kapitalismus für Schönheit und Identität
Der Kapitalismus beeinflusst Schönheit und Identität kritisch: Nach Adorno und Horkheimer wird Schönheit zur Ware und Identität durch Massenkultur und Konsum entfremdet; Spengler sieht darin den kulturellen Verfall und Verlust authentischer Identität. Adorno und Horkheimer analysieren in ihrer Schrift „Dialektik der Aufklärung“ den Kapitalismus als ein System, das Kultur und Identität zunehmend in Warenform verwandelt. Schönheit wird hier zu einer Ware, die konsumierbar und standardisierbar ist, wodurch die individuelle Identität unter dem Druck von Massenkultur und „Kulturindustrie“ leidet. Die Identität wird fragmentiert und entfremdet, da sie sich an den Anforderungen des Marktes und der Konsumgesellschaft orientieren muss. Oswald Spengler beschreibt in seiner Schrift "Der Untergang des Abendlandes" nach einem Blick in die Geschichte die Moderne als eine Zivilisation, die ihre kulturelle „Seele“ verliert und in eine Phase des Verfalls eintritt. Schönheit und Identität werden dabei als Ausdruck einer Kultur verstanden, die sich im Niedergang befindet. Die kapitalistische Moderne trägt für ihn zu einer Entfremdung und zum Verlust authentischer kultureller Identität bei.
Mode als Schönheitsbegriff des Kapitalismus
Der Kapitalismus führt oftmals dazu, dass Menschen sich ihre Schönheit nicht mehr authentisch zeigen, sondern sich gegenseitig vor allem den „Abglanz“ fremder Vorstellungen präsentieren, welche durch Modediktate gegeben sind, weil Schönheit im Kapitalismus zur Ware degeneriert und mit sozialen Erwartungen, Konsumzwängen und Normen verknüpft ist.
So wird Schönheit im Kapitalismus zu einer Art „Körperkapital“, das optimiert und „produziert“ werden muss, um gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen zu genügen. Das führt dazu, dass Menschen oft nicht ihre individuelle, authentische Schönheit zeigen, sondern eine überangepasste Version, die den vorherrschenden Schönheitsidealen entspricht. Die Mode ist dabei ein Mittel, mit dem labile Menschen ihre Identität ausdrücken, aber auch an gesellschaftliche Normen anknüpfen. Sie ist eine „nützliche Ware“, die kulturell aufgeladen wird und soziale Zugehörigkeit signalisiert. Dadurch entsteht ein ständiger Wechsel von Nachahmung und Differenzierung, der den „Abglanz“ sozialer Erwartungen statt individueller Schönheit widerspiegelt. Medien, Werbung und gesellschaftliche Normen erzeugen dabei einen enormen Druck, bestimmten Schönheitsidealen zu entsprechen, was zu einer „Arbeit am Körper“ führt und meist mit Unsicherheit und Identitätsverlust verbunden ist.
Damit züchtet der Kapitalismus eine Schönheitskultur, in der Schönheit als Ware und Erfolgsfaktor behandelt wird. Von feministischen und sozialkritischen Perspektiven werden Zusammenhänge kritisch diskutiert. Sie weisen darauf hin, dass solche Schönheitsideale soziale Kontrolle und Konkurrenz schüren und die individuelle Freiheit einschränken.
Die Schönheit des Geldes
Der Unterschied zwischen „Schönheit kapitalisieren“ und „Schönheit gefallen“ liegt im Wesen und der Zugänglichkeit von Schönheit. Schönheit lässt sich nicht kapitalisieren, weil sie kein handelsbares, objektives Gut ist, das man besitzen oder in Geld umwandeln kann, sondern ein subjektives Erlebnis, das im Gefallen, also in der ästhetischen Wahrnehmung und Wertschätzung liegt. Wenn die Schönheit jedes Einzelnen unberührbar ist, bedeutet das, dass sie individuell, einzigartig und nicht verhandelbar ist, weshalb sie nicht als Kapital im wirtschaftlichen Sinne fungieren kann.
In den Augen der Schönheitsindustrie, der Werbung oder der plastischen Chirurgie ist Schönheit jedoch die ökonomische Verwertung von äußerer Attraktivität; eine Ressource, die Wettbewerbsvorteile verschafft und somit sozial ungleich verteilt ist. Diese absichtlich herbeigeführte Ungleichheit – stets als ungerecht empfunden, weil sie auf Geld und Zugang beruht, anstatt auf intrinsischer Qualität, die allen gleichermaßen möglich ist – offenbart so auch weiter nichts, als ein Statussymbol, das nur als ein erkauftes Gefälle von Abglanz blendet.
Im Gegensatz dazu ist das Gefallen an echter Schönheit ein subjektives und ästhetisches Urteil, das auf persönlicher Wahrnehmung und echter emotionaler Resonanz beruht. Philosophen wie Kant betonen, dass ästhetische Urteile keine objektive Erkenntnis über den Gegenstand liefern, sondern sich auf das Gefühl der Lust im Subjekt gründen.
So ist die Schönheit in Wirklichkeit etwas, das man erlebt und das jedem individuell stets zugänglich bleibt und nichts, das man besitzen kann.
Da die Schönheit jedes Einzelnen also unberührbar ist und jedem Menschen eigen und unantastbar bleibt, bedeutet dies, dass sie durch durch keinen einzigen äußeren Einflüsse oder ökonomischen Zwang verändert oder vereinnahmt werden kann! Sie bleibt ein persönliches, autonomes Erlebnis, das nicht durch Kapitalverwertung entwertet wird. Die Individualität und Würde der Person hebt die ästhetische Erfahrung über den Marktwert hinaus und bleibt unberührt. Während Kapitalisierung zu Ungleichheit und Entfremdung führt betont das Gefallen an echter Schönheit die persönliche, unveräußerliche Dimension des Individuums.
Missbrauch aller Schönheit durch den Kapitalismus
Kapitalismus kann im Sinne einer Metapher, dass Vergewaltigung ein Versuch ist, die innere Schönheit von jemandem zu stehlen, auf die Frage übertragen werden, ob der Kapitalismus die innere Schönheit „vergewaltigt“. So erscheint er als ein System, das innere Werte und die individuelle Einzigartigkeit schlicht ökonomischen Verwertungslogiken unterwirft, also quasi den Menschen in seinem gegenseitigen Sichtfeld „entwendet“ oder entstellt, da er eine „Selbstausbeutung“ im Bereich der äußeren Erscheinung förder, indem er Schönheitsideale als Leistungsindikatoren und Marktwerte etabliert.
Indem Menschen ihren Körper und ihr Äußeres nach kapitalistischen Maßstäben disziplinieren und optimieren, um auf dem Markt bessere Chancen zu haben, führt dies zu einer Art „ästhetischem Despotismus“. Die Dynamik kann als eine Form der „Vergewaltigung“ der inneren Schönheit verstanden werden, weil sie die Individualität und das innere Wohlgefühl zugunsten äußerer Verwertbarkeit und Anpassung zerstört. Die kapitalistische Logik der Ausbeutung und Enteignung erstreckt sich dabei nicht nur auf materielle Ressourcen, sondern auch auf soziale Beziehungen, kulturelle Werte und die individuelle Identität. So wird innere Schönheit als persönliche Würde, Authentizität und Selbstwert in der symbiotischen Zwischenmenschlichkeit durch die Zwänge des Marktes und der Leistungsorientierung verletzt oder „geraubt“.
So wird die ständige Reaktion des Menschen auf dir Ungerechtigkeit ökonomischer Macht (Geld) zu einem „Totschlagen“ in Form von Konkurrenz, das zu Ausbeutung und sozialen Kämpfen führt. Diese Dynamik erzeugt eine Spirale, in der alle Beteiligten letztlich Schaden nehmen, weil sie sich in einem destruktiven Wettbewerb befinden, der nicht zu einem echten Ausgleich oder Frieden führt.
Wie aus Schwänen Sklaven werden
Das Bildungswesen dient primär dazu, Arbeitskräfte entsprechend den Bedürfnissen der Wirtschaft auszubilden, wodurch eine breit gefächerte Allgemeinbildung in den Hintergrund tritt.
Durch frühe und ständige Selektion werden Kosten und Ausbildungszeit reduziert, um dem Kapital stets ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Das kapitalistische System erhöht - auch durch seinen Abglanz der Modewelt auf das Geltungsbewusstsein junger Schüler - den Leistungsdruck und das Konkurrenzdenken, was sie zu Stress und psychischen Problemen führen kann. Die immer stärkere Gewichtung des äußeren Ansehens und Aussehens erstickt innere Werte im Keim. Wer keine Markenkleider tragen kann, gilt als sozial schwach und wird ausgegrenzt.
Auch werden Schüler bereits früh durch überfrachtete Lehrpläne überlastet, was zu oberflächlichem "Bulimielernen" führt. Die Kreativität wird dabei durch eine diktatorische, behaviouristische Form des Lernens abgetötet, bei der Schüler in vorgegossene Formen gepresst werden. Die Aufteilung von Schülern auf verschiedene Schulformen fördert bereits von klein auf eine soziale Auslese, wobei der Bildungserfolg stark vom Vermögen und Bildungsniveau der Eltern abhängt. In sozialistischen Staaten war politische Konformität sogar ein Kriterium für den Bildungszugang, was zu einer neuen Elite führte. So dienst das Bildungssystem dazu, den Nachwuchs für den Arbeitsmarkt vorzusortieren und ihnen die kapitalistische Ideologie zu vermitteln
Und doch vermittelt das Bildungssystem an sich ein grundlegendes Wissen und Fähigkeiten, mit dem es kritisches Denken fördert und dazu beiträgt, die Mechanismen des Kapitalismus zu durchschauen. Dies fördert Solidarität und soziales Bewusstsein, was für eine gerechtere Gesellschaft zwingend notwendig ist.
Religion als Knopfloch am Feldherrenmantel
Die Religion ist im Bildungssystem mitunter eine „zusätzliche Vergiftung“, die darin besteht, dass religiöse Lehren und Glaubensvorstellungen als ein „Phantasma“ eingepflanzt und erhalten werden, das den Arbeiter in der Rolle des paternalistisch kontrollierbaren „Sohns“ hält. Dieses Phantasma schafft eine Abhängigkeit und Hörigkeit, indem es autoritäre Strukturen und Gehorsam gegenüber einer durch irdische Instanzen repräsentierten, höheren Instanz – sei es Gott oder eine andere Leitfigur – verinnerlicht. Dadurch bleibt der Einzelne kontrollierbar und fügt sich leichter in hierarchische Machtverhältnisse ein, was eine Form der sozialen Disziplinierung und Unterordnung bewirkt.
Der Buckel wächst dem, der an Krücken laufen lernt
Im schulischen Religionsunterricht zeigt sich, dass durch das Voraussetzen religiöser Vorstellungen und Traditionselemente („religiöses Kapital“) oft Kinder und Jugendliche, ausgeschlossen werden, die andere Vorstellungen besitzen oder ihnen ihre bis dahin unberührte Innerlichkeit (und nicht Fülle oder Pleroma) verstellt, die ihnen einen tieferen Zugang zu existenziellen Fragen bietet, als es die aufgedrückten Schuld-Gespenster der abrahamitischen Religionen durch Selbstverleugnung konnten. Dadurch entsteht eine Passungskrise, die soziale Ungleichheiten verstärkt. Auf diese Weise erhält der bisherige Religionsunterricht mit seinen Memen im Bildungssystem die soziale Kontrolle und reproduziert bestehende Machtverhältnisse. Die paternalistische Funktion der Religion im Bildungssystem formt den Arbeiter damit zu einem „hörigen Sohn“, der sich den gesellschaftlichen und ökonomischen Zwängen fügt und Autoritäten nicht mehr hinterfragt. Im Bildungssystem dient das Religionsbalsam als systemkonservierende Substanz, welche die individuelle Autonomie und das kritische Denken jedes Einzelnen einschränkt und hemmt.
Nach aufgeschlagenen Kien zum aufrechten Gang
Ein Unterricht, der verschiedene Weltanschauungen, Ethiken und Philosophien gleichberechtigt behandelt, ohne eine bestimmte religiöse Sicht zu fokussieren, fördert Offenheit und Respekt. Schüler und Schülerinnen könnten eigenständig den Mut dazu finden, Glaubensinhalte und gesellschaftliche Strukturen kritisch zu hinterfragen und selbstständig zu reflektieren. Anstatt dogmatischer Lehren würde dadurch für jeden Schüler und jede Schülerin ein Raum für die persönliche Sinnsuche, die ethische Reflexion und die eigene Selbstbestimmung geschaffen. Schließlich könnten Lernende sogar aktiv an der Gestaltung von Bildungsinhalten beteiligt werden, um verkrustete Autoritätsstrukturen zu durchbrechen.
Eine Bildung, die Vielfalt anerkennt und auf Religionsunterricht verzichtet, verstärkt soziale Integration und zwischenmenschliche Verständnisse, indem sie jedem den Sicherheitsabstand gewährt, der für die Dialoge zwischen verschiedenen Kulturen und Religionen notwendig ist. Dies würde dazu beitragen, die durch paternalistische Strukturen erreichte Kontrolle zu lockern und die innere Freiheit, Selbstbestimmung und kritische Urteilsfähigkeit der Lernenden zu stärken, wodurch sich das Bildungssystem vom bloßen Instrument der Unterordnung zu einem Ort der Emanzipation wandeln würde.
Wenn darüberhinaus die Religion im Bildungssystem nicht als Glaubenslehre, sondern als kritischer Unterricht über Aberglauben und Verschwörungserzählungen (wie sie etwa die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften – GWUP – thematisiert) sowie als Vermittlung von ethischen, ästhetischen und philosophischen Grundideen neben den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) mehr Gewicht bekäme, hätte dies vermutlich tiefgreifende Auswirkungen auf die Identität des Einzelnen und die Gesellschaft insgesamt:
- Die Auseinandersetzung mit ethischen und philosophischen Grundideen unterstützt die persönliche Wertebildung und hilft, eine eigene moralische Orientierung zu entwickeln, völlig unabhängig von dogmatischen Vorgaben.
- Die kritische Reflexion über Aberglauben und Verschwörungstheorien macht Menschen widerstandsfähiger gegen ideologische Manipulationen und fördert eine aufgeklärte Haltung.
- Ein solcher Unterricht würde das Bewusstsein für die Unterscheidung zwischen rational begründeten Erkenntnissen und irrationalen Glaubensvorstellungen derart schärfen, dass sie die Vernunft nicht mehr benebeln könnte. Individuen würden lernen, Verschwörungserzählungen und Aberglauben sofort zu hinterfragen und eine eflektiertere und selbstbestimmtere Identität entwickeln.
- Durch die Integration ästhetischer und philosophischer Perspektiven neben naturwissenschaftlichen Inhalten wird ein ganzheitliches Weltbild erinnert, das sowohl Vernunft als auch Sinnfragen berücksichtigt.
- Schüler sollten dazu ermutigt werden, kritisch zu hinterfragen und sich nicht mit vorgegebenen Antworten zufriedenzugeben.
- Bildung sollte soziales Bewusstsein und Empathie fördern, um die negativen Auswirkungen des Kapitalismus zu erkennen und zu bekämpfen.
- Demokratisch gewählte Komitees von Lernenden, Lehrenden und Eltern könnten die Lerninhalte festlegen und die Schulen verwalten.
- Bildung sollte von der Kita bis zur Uni kostenlos sein und für alle zugänglich sein, unabhängig vom Einkommen der Eltern.
- Schüler und Lehrer sollten sich gegen den Leistungsdruck wehren und alternative Lernformen entwickeln.
- Schüler, Lehrer und Eltern sollten sich vernetzen und gemeinsam für eine gerechtere Bildungspolitik kämpfen.
- Das Bildungssystem sollte Kreativität und Selbstbestimmung fördern, um Schüler zu befähigen, ihre eigenen Wege zu gehen.
Mit diesen Strategien würde das System womöglich die Eindämmung der negativen Auswirkungen des Kapitalismus unterstützen und eine gerechtere und menschlichere Gesellschaft fördern.
Befreiung vom Raubbau am Menschen
Die offene und kritische Förderung verschiedener Weltanschauungen und ethischer Positionen führt zu mehr Verständnis und Respekt gegenüber unterschiedlichen Überzeugungen und Lebensweisen. Kritisches Denken und ethische Reflexion unterstützt eine mündige Bürgerschaft, die sich aktiv und verantwortungsbewusst in demokratische Prozesse einbringt. Wenn Schulen systematisch über die Mechanismen von Aberglauben und Verschwörungserzählungen aufklärten, würde die Anfälligkeit der Gesellschaft für Desinformation und extremistische Ideologien stark sinken. Die Integration von ethischen, ästhetischen und philosophischen Inhalten neben MINT-Fächern würde die ausgewogene Entwicklung von Kopf, Herz und Hand – also von Wissen, Werten und praktischen Fähigkeiten besser fördern. Erst eine Gesellschaft, die nicht nur technisch-wissenschaftlich, sondern ebenso ethisch und philosophisch gebildet ist, kann auf zwei Beinen laufen und sowohl Innovationen verantwortungsvoll gestalten, als auch nachhaltig denken.
Das Entlarven von Aberglauben und Verschwörungserzählungen und die Vermittlung ethischer, ästhetischer und philosophischer Grundideen würde die individuelle Identitätsbildung enorm potenzieren und die Gesellschaft insgesamt resilienter, pluralistischer und demokratischer machen. In Kombination mit einer starken naturwissenschaftlichen Bildung entstünde ein Bildungssystem, das nicht nur Fachwissen vermittelt, sondern auch zur mündigen, reflektierten und verantwortungsvollen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben befähigt.
Bildung, welche innere Schönheit und Selbstbestimmung fördert, stärkt die ontologische Freiheit, die für die Menschwerdung eine zentrale Rolle spielt. Diese Freiheit widersetzt sich kapitalistischen Entfremdungen, wie sie aktuell durch überwachungskapitalistische Algorithmen herbeigeführt werden, bei der Menschen nicht mehr, als bloße inhaltsleere Objekten der Produktion und Konsumtion sind. Schließlich könnte der Fokus auf die innere Schönheit und Innerlichkeit des Einzelnen und die Förderung seines authentischen, selbstbestimmten Seins im Bildungssystem dem Kapitalismus als Druckmittel auf das „Abbild“ statt das „eigene Sein“ erheblich entgegenwirken, der bisher nur davon lebt, künstliche Bedürfnisse und Illusionen zu erzeugen, um Konsum und Konkurrenz zu fördern. Wenn Menschen durch Bildung zu mehr innerer Zufriedenheit, Selbstbewusstsein und echtem Glück gelangten, würde dies womöglich die bisherige kapitalistische Logik, die uns Menschen verkauft, derart transformieren, dass das Kapitalsystem sich nicht mehr an uns als Resource vergreifen kann, weil WIR SELBST uns nicht länger als solche begreifen.
So verlöre der Kapitalismus sein Druckmittel, Menschen als bloße „Abglanz“-Projektionen (Statussymbole, Marken, Oberflächen) zu kontrollieren, wenn das authentische Selbst sich stärker der eigenen inneren Schönheit und Selbstakzeptanz bewusst ist. Glückliche und selbstbewusste Menschen, die sich ihr eigenes Sein sowohl wahren, als auch zeigen und nicht nur den Erwartungen anderer entsprechen wollen, fördern solidarische und authentische Beziehungen statt marktlich verhandelter, vergifteter Beziehungen. Sie sind wenig anfällig für die Erzeugung künstlicher Bedürfnisse durch Werbung und Konsumzwang, konsumieren bewusst und weniger aus Mangelgefühlen oder sozialem Druck.
Durch eine Gesellschaft mit innerlich zufriedenen Menschen, die nicht auf Bedürfnisillusionen ansprechen, würde der Kapitalismus womöglich am Ende schließlich, da er auf Wachstum durch Bedürfnisproduktion angewiesen ist, zu einem nachhaltigerem, weniger konsumorientiertem Wirtschaftssystem führen. Die Förderung innerer Schönheit und des authentischen Seins in der Zwischenmenschlichkeit trifft den Kapitalismus wohl in seinem inneren Kern, indem seine Mechanismen der Bedürfnismanipulation und sozialen Kontrolle außer kraft gesetzt werden. Wer sich nicht über äußere Spiegelungen definiert, entzieht dem System seine zentralen Druckmittel und eröffnet Raum für alternative, menschlichere Gesellschafts- und Wirtschaftsformen.
Was kann die Kunst?
Kunst kann helfen, Grausamkeit zu mindern, indem sie Menschen – insbesondere Jugendliche – alternative Wege bietet, Aggressionen und belastende Gefühle auszudrücken. Künstlerische Projekte an Schulen zeigen, dass durch Malerei, Musik oder Theater Aggressionen abgebaut und gewaltbereite Jugendliche erreicht werden können. Kunst bietet einen nonverbalen Ausdruck für Emotionen, die sonst in destruktives Verhalten münden könnten. Studien und Praxiserfahrungen bestätigen, dass solche Maßnahmen die Gewaltbereitschaft senken können, auch wenn sie das Problem nicht vollständig „entlernen“ lassen. Kunst kann also präventiv und therapeutisch wirken, indem sie Selbstreflexion, Empathie und soziale Kompetenzen fördert.
Zusammenhang von Konformismus und Schamkultur
Konformismus entsteht oft aus dem Wunsch, nicht aus der Gruppe herauszufallen. In einer ausgeprägten Schamkultur wird individuelles Abweichen mit sozialer Ächtung oder öffentlicher Bloßstellung sanktioniert. Menschen passen sich daher an, um Scham und soziale Isolation zu vermeiden. Schamkultur und Konformismus verstärken sich gegenseitig: Je stärker die Angst vor öffentlicher Beschämung, desto größer die Bereitschaft, sich anzupassen und eigene Überzeugungen zu unterdrücken.
Die drastische Zunahme von Kameras verstärkt diese Dynamik. Ständige Überwachung erhöht den sozialen Anpassungsdruck, weil jede Abweichung potenziell dokumentiert und öffentlich gemacht werden kann. Das fördert Konformismus und die Angst, durch „Fehlverhalten“ beschämt zu werden. Die Allgegenwart von Aufnahmen führt zu Selbstzensur und hemmt nonkonformes, kreatives oder kritisches Verhalten.
Große Kapitalunternehmen fördern Faulheit und Bequemlichkeit gezielt durch Monetarisierungsstrategien. „Kostenlose“ Angebote wie Social Media, Streaming oder Onlineshopping sind so gestaltet, dass sie maximale Bequemlichkeit bieten und Nutzer:innen möglichst lange binden. Die ständige Verfügbarkeit und niedrige Einstiegshürde fördern passive Konsumhaltung und reduzieren die Bereitschaft, sich aktiv und kritisch mit Inhalten auseinanderzusetzen. So wird Eigeninitiative durch Komfort und sofortige Bedürfnisbefriedigung ersetzt.
Endlose Serien und Computerspiele bieten einfache Möglichkeiten zur Realitätsflucht. Sie lenken von eigenen Problemen, gesellschaftlichen Herausforderungen oder der Notwendigkeit, Verantwortung zu übernehmen, ab. Wer sich in virtuelle Welten oder Dauerunterhaltung verliert, entzieht sich der aktiven Auseinandersetzung mit der Realität und trägt so indirekt zur Passivität und Systemschwäche bei.
Zuwendung und Abwendung
Die COVID-19-Pandemie und die zunehmende Nutzung biometrischer Systeme werfen eine philosophische Frage auf: Kann der Zwang, das Gesicht zu verbergen (durch Masken) und es gleichzeitig technologisch preiszugeben (durch Gesichtserkennung), ein umfassenderes Verständnis von Identität, Privatsphäre und menschlicher Authentizität fördern?
Masken und das Verbergen des Gesichts waren Symbol der Pandemie: Masken wurden zum Schutzinstrument, reduzierten aber nonverbale Kommunikation (Mimik, Lächeln) und schufen eine Distanz zwischen Individuen. Wir mussten Gesicht zeigen, indem wir es verbergen. Studien zeigen, dass Isolation und eingeschränkte soziale Interaktionen Angst, Einsamkeit und depressive Symptome verstärkten – besonders bei Jugendlichen. Dazu tragen auch die digitalen Technologien bei.
Das Verbergen des Gesichts war eine existentielle, entfremdende Gesellschaftserfahrung, die uns Menschen erkennen ließ, Identität jenseits physischer Merkmale zu reflektieren.
Biometrische Systeme zwingen uns dagegen, Gesicht zu zeigen, indem sie Gesichtsmerkmale als Datenpunkte erfassen, Individualität auf Algorithmen reduzieren und die Kontrolle über das eigene „Gesicht“ untergraben.
Die Paradoxie besteht darin, dass während die Pandemie das Gesicht verhüllte, die Digitalisierung die totale Sichtbarkeit normalisierte – eine Spannung zwischen Schutz und Überwachung.
Dialektik von Annehmen und Verleugnen
Das gleichzeitige Verbergen und Offenlegen des Gesichts könnte kritische Reflexionen anstoßen:
- Was definiert Identität – das sichtbare Gesicht oder die dahinterliegende Autonomie?
- Wie viel „Zeigen“ ist Freiheit, wie viel Zwang?
Durch diese Polarität bekamen wir die Chance darauf, ein umfassendes Verständnis des Gesichts zu entwickeln. Die Erfahrung konnte Sensibilität für Privatsphäre, Körperlichkeit und technologische Entmündigung schärfen. Doch beide Phänomene – Masken und Biometrie – waren und sind Fremdbestimmungen und keine bewusst gewählten Selbsterfahrungen. Die Pandemie zeigte vor allem, wie vulnerabel psychische Gesundheit und Selbstbestimmung sind. Die Spannung zwischen Verhüllen und Enthüllen des Gesichts spiegelt letztlich einen gesellschaftlichen Konflikt: Wie definieren wir Menschsein in einer Welt, die zwischen Schutz und Kontrolle oszilliert? Ob dies zu einem „umfassenden Verständnis“ führt, hängt davon ab, wie Individuen und Gesellschaften diese Widersprüche reflektieren und gestalten.
Warum ein simples "Ja" nicht ausreicht
Ein bloßes Zustimmen ("Ja") zu einer Sache erfasst selten die Komplexität von Realität und Identität. Oberflächliche Akzeptanz ohne Reflexion führt zu kognitiver Dissonanz, wenn innere Widersprüche ignoriert werden. Existenzielle Integration erfordert, dass man Ambivalenzen aushält – etwa die Spannung zwischen "Gesicht zeigen" (Biometrie) und "Gesicht verbergen" (Maskenpflicht) aus der Pandemie. Ein "Ja" zur biometrischen Gesichtserkennung ohne Kritik an Überwachung verkennt den Konflikt zwischen Sicherheit und Autonomie.
Wie "Abwendung" gelernt wird
Abwendung ist ein psychischer Abwehrmechanismus, der oft unbewusst als Schutz vor Überforderung dient. Auslöser sind Konfrontationen mit einer unerträglichen Realität (z. B. traumatische Erfahrungen oder gesellschaftliche Widersprüche). Das Ich spaltet die bedrohliche Wahrnehmung ab ("Das kann nicht sein!") und projiziert sie ins Unbewusste. Dies wird durch soziale Normen (z. B. Leugnung als Gruppenphänomen) oder Selbstschutz (Wahrung des Selbstwerts) verstärkt. Die Lernbedingungen dafür sind fehlende Bewältigungsstrategien für Konflikte und ideologisierte Umgebungen, die kritische Reflexion unterdrücken.
Die Rolle der Ironie
Ironie fungiert als Vermittler zwischen Zustimmung und Abwendung:
-
Sokratische Ironie: "Ich weiß, dass ich nichts weiß" markiert die Grenze des Wissens und zwingt zur Selbstreflexion.
-
Hebammenkunst: Durch scheinbare Naivität werden Widersprüche aufgedeckt, ohne direkt zu verneinen.
-
Distanzierung: Ein ironisches "Ja" kann scheinbare Zustimmung sein, die gleichzeitig Kritik verbirgt (z. B. Sarkasmus gegenüber Überwachungstechnologien).
-
Paradoxe Akzeptanz: Ironie ermöglicht, Widersprüche auszuhalten, ohne sie zu verleugnen – etwa die Gleichzeitigkeit von "Gesicht zeigen müssen" und "Gesicht verlieren" in der Digitalisierung.
Die Verleugnung alleine blockiert Erkenntnis durch Abschottung vor unangenehmen Wahrheiten. Doch blindes Ja-Sagen ignoriert Ambivalenzen und fördert Oberflächlichkeit.Dagegen hält Ironie die Wunde offen: Sie akzeptiert die Unmöglichkeit vollständiger Gewissheit (sokratisches Nichtwissen) und nutzt dies als Motor für kritische Reflexion. Konflikte sollten integrativ als Dialektik und nicht als Spaltung begriffen werden – z. B. als Dialektik zwischen Sicherheit und Freiheit – um nachhaltige Lösungen zu finden.
So kann die Ironie zum zuverlässigen Werkzeug der Mündigkeit werden und helfen, die Komplexität des "Gesicht-Zeigens" in einer digitalisierten Welt bewusst zu modellieren, ohne sich paradoxen Handlungsaufforderungen auszuliefern und in in Verleugnung, erlernte Hilflosigkeit oder naiven Positivismus zu verfallen.
Die digitale Wende als Wendung zum Selbst
Die Digitalisierung hat den Kapitalismus und die Menschwerdung gleichermaßen potenziert, indem sie einerseits die kapitalistischen Verwertungs- und Kontrollmechanismen verstärkt und andererseits neue Herausforderungen und Chancen für die individuelle Selbstentfaltung und gesellschaftliche Emanzipation schafft.
Die Digitalisierung intensiviert die kapitalistische Logik der Beschleunigung, Effizienzsteigerung und Datenverwertung. Sie ermöglicht eine umfassendere Überwachung, Steuerung und Monetarisierung von menschlichem Verhalten, was die Entfremdung und Kontrolle im kapitalistischen System verstärkt. Gleichzeitig schafft die Digitalisierung neue Märkte und Formen der Arbeit (z.B. Gig-Economy), die oft prekär und unsicher sind, was die soziale Ungleichheit verschärft. Sie birgt die Gefahr der Entmenschlichung, wenn Menschen zu bloßen Datenpunkten und Konsumenten reduziert werden, was der Menschwerdung entgegensteht. Andererseits bietet sie neue Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung, Vernetzung und Wissensaneignung, die die individuelle Freiheit und Kreativität fördern können.
Es ist zu erwarten, dass sich ein Spannungsverhältnis herausbildet, in dem Digitalisierung sowohl als Instrument kapitalistischer Kontrolle als auch als Chance für emanzipatorische Praxis wirkt. Die Menschwerdung wird davon abhängen, inwieweit es gelingt, digitale Technologien so zu gestalten und zu nutzen, dass sie die Autonomie, Kreativität und ethische Praxis der Menschen fördern statt unterdrücken.
Das Zuwachsen hin zu einer Freiheit, die dem Menschen „zusteht“, ist ein langfristiger, gesellschaftlicher Prozess, der von politischen, sozialen und kulturellen Kämpfen geprägt ist. Historisch gesehen erstreckt sich dieser Prozess über Generationen, da tief verwurzelte Strukturen von Macht, Kapital und Ideologie überwunden werden müssen. Die Digitalisierung kann diesen Prozess beschleunigen, wenn sie bewusst emanzipatorisch eingesetzt wird, oder verzögern, wenn sie kapitalistischen Interessen dient.
So potenziert die Digitalisierung sowohl die kapitalistische Kontrolle als auch die Möglichkeiten zur Menschwerdung. Das künftige Gleichgewicht wird davon abhängen, wie Gesellschaften diese Technologien gestalten und nutzen. Die Freiheit des Menschen wird sich graduell entwickeln und erfordert aktive, kollektive Anstrengungen jenseits rein technischer Lösungen.
Nur das, was wir tatsächlich als unsere Verantwortung annehmen und mit Leben füllen – das Zuständige – kann wachsen und sich entfalten. Das bloß Zuständliche, das wir nur formal besitzen, bleibt leer und wirkungslos. Die Zurückhaltung, uns Zuständiges zuzugestehen, wurzelt in Ängsten, Fremdbestimmung und mangelndem Selbstvertrauen. Ein bewusster Umgang mit Verantwortung und die Förderung von Selbstwirksamkeit sind daher zentrale Schlüssel für persönliches und gesellschaftliches Wachstum.
Quellen
-
https://www.sonntagsblatt.de/artikel/kultur/querdenker-mit-fantasie-der-philosoph-peter-sloterdijk
-
https://www.cicero.de/peter-sloterdijk-interview-nzz-gesellschaft
-
https://www.spiegel.de/kultur/zwei-maenner-und-der-mond-a-581bf8c7-0002-0001-0000-000067596413 http://www.bruno-latour.fr/sites/default/files/downloads/112-DESIGN-SLOTERDIJK-DE.pdf
-
https://koerber-stiftung.de/mediathek/die-wiederentdeckung-des-uebens/
-
https://www.nomos-elibrary.de/de/10.5771/9783828870567.pdf?qms=1&sgo=20314
-
https://www.mathematik.hu-berlin.de/~baum/Skript/DGL-2012.pdf
-
https://home.mathematik.uni-freiburg.de/analysis/lehre/skripten/Diffgleichngn.pdf
-
https://www.math-datascience.nat.fau.de/files/2022/03/knauf_dgl2019.pdf
-
https://www.mathematik.uni-ulm.de/m5/balser/Skripten/Differentialgl_II.pdf
-
https://num.math.uni-bayreuth.de/de/team/lars-gruene/skripten/num2/num2_2.pdf
-
https://de.wikipedia.org/wiki/Identit%C3%A4tstheorie_(Philosophie_des_Geistes)
-
https://www.club-dialektik.de/Texte:Identit%C3%A4t_bei_Frege_und_Hegel
-
https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/download/105/101
-
https://de.wikipedia.org/wiki/Principium_identitatis_indiscernibilium
-
https://taz.de/Oekonomin-ueber-Schoenheit-im-Kapitalismus/!5990844/
-
https://www.awblog.at/Frauen/koerperbilder-diskriminierung-was-tun
-
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/30510/schoenheit-erfolg-macht/
-
https://www.dielinke-lippe.de/start/aktuell/detail-aktuell/mit-schoenheitsidealen-brechen-kapitalismus-abschaffen/ http://oops.uni-oldenburg.de/5470/1/becmen21.pdf
-
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/198387/lifestyle-kapitalismus-essay/
-
https://philodive.com/de/blog/the-concept-of-beauty-in-philosophy--a-comprehensive-overview
-
https://taz.de/Oekonomin-ueber-Schoenheit-im-Kapitalismus/!5990844/
-
https://wp.uni-oldenburg.de/politische-philosophinnen/laurie-penny/
-
https://www.philosophie-wissenschaft-kontroversen.de/suche.php?suche3=VsKant
-
https://philodive.com/de/blog/the-philosophy-of-capitalism--a-detailed-analysis
-
https://taz.de/Oekonomin-ueber-Schoenheit-im-Kapitalismus/!5990844/
-
https://taz.de/Neues-Buch-ueber-Gegenwartskapitalismus/!5918463/
-
https://www.deutschlandfunkkultur.de/kulturarbeit-prekariat-100.html
-
https://onesolutionrevolution.de/bildung-und-schule-im-kapitalismus/
-
https://solidaritaet.info/2023/06/schule-trainiert-uns-kapitalismus-an/
-
https://www.pedocs.de/volltexte/2021/3214/pdf/Hensel_Kapitalbildung_und_Bildung_2009_6_D_A.pdf
-
https://www.deutschlandfunk.de/wirtschaftskritik-die-religion-und-der-kapitalismus-100.html
-
https://onesolutionrevolution.de/bildung-und-schule-im-kapitalismus/
-
https://philodive.com/de/blog/the-philosophy-of-capitalism--a-detailed-analysis
-
https://onesolutionrevolution.de/bildung-und-schule-im-kapitalismus/
-
https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-der-wirtschaft/19938/kapitalismus/
-
https://www.econstor.eu/bitstream/10419/170258/1/dp2005-08.pdf
-
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_protestantische_Ethik_und_der_Geist_des_Kapitalismus
-
https://www.pedocs.de/volltexte/2021/3214/pdf/Hensel_Kapitalbildung_und_Bildung_2009_6_D_A.pdf
-
https://www.bildungsserver.de/innovationsportal/bildungplusartikel.html?artid=292
-
https://www.kunst-welten.de/blog/sinn-und-zweck-einer-aesthetik-der-grausamkeit.html
-
https://www.epd-film.de/themen/kunstdebatte-grausame-schoenheit
-
https://www.arthistoricum.net/kunstform/rezension/ausgabe/2002/7/3187
-
https://www.dgppn.de/schwerpunkte/corona/psyche-und-pandemie.html
-
https://de.statista.com/themen/8237/auswirkungen-der-corona-pandemie-auf-die-psyche/
-
https://www.psychologie-coaching.com/wissen-psychologie/verleugnung/
-
https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/verleugnung/16310
-
https://de.wikipedia.org/wiki/Ich_wei%C3%9F,_dass_ich_nichts_wei%C3%9F