Überlegenheit statt Überheblichkeit - Der Abschied von ödipalem Absolutismus und Totalitarismus in Religion und Politik

Autor: Gerd Raudenbusch
Stand: 28.12.2025

Im allgemeinen ist der Hinweis von Gustave Flaubert darauf, dass Religion und Politik keine geeigneten Gesprächsthemen in guter Gesellschaft seien, durchaus sinnvoll, da es sich bei beiden um Schlachtfelder handelt. Doch es ist das stetige Bemühen um philosophische Hintergründe, welche in ihrer Konsequenz ein dauerhaftes Reflexionspotential auf die beiden beweisen. Eine solche philosophische Theorie der Schizoanalyse haben beispielsweise der Philosoph Gilles Deleuze und der Psychoanalytiker Félix Guattari in ihrem gemeinsam verfassten Werk Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie erarbeitet. Damit beleuchtet diese Schrift den Absolutismus und Totalitarismus in religiösen und politischen Systemen und den Abschied davon.

Inhalt

Absolutismus und Totalitarismus in der Religion

Das Herabziehen von Qualität in Quantität ist die Kritik von Karl Jaspers und auch Adorno an religiöse Absolutheitsansprüche: Wenn das Göttliche, das qualitativ Andere, in weltliche Kategorien von Zahl, Macht, oder Identität übersetzt wird, verliert der Glaube seine Offenheit. Was ursprünglich unendlich und unbegreiflich war, wird zur totalen Idee – zum Maßstab, an dem alles andere gemessen werden muss. In dieser Bewegung — von Transzendenz zur Systematisierung — entsteht das, was Jaspers als „Verfall der Metaphysik zur Ideologie“ bezeichnet: Das Heilige wird Werkzeug, „Gott“ wird Mittel zur Selbstversicherung.

Reinheit, Wahrheit und Gewalt

Der Marienglauben und die Reinheitsvorstellung zeigt eine historische Dynamik: Reinheit, ursprünglich spirituell verstanden (Ungeteiltheit, Hingabe), kann sich kontaminieren, wenn sie moralisch-biologisch gedeutet wird. Dann kippt Reinheit in Ausschluss — und Reinheitsdenken in Rassenlehre oder Fundamentalismus. So wird das Ideal innerer Läuterung externalisiert zu einer Forderung nach "reinem Volk", "wahrem Glauben", "orthodoxer Lehre". Hannah Arendt und René Girard betonen beide, dass sich daraus religiös legitimierte Gewalt speist: das Bedürfnis nach Sündenböcken, um die eigene Identität vor dem „Unreinen“ zu schützen.

Gott als Instrument der Identität

Gott wird instrumentalisiert zur Identitätsbildung, nach dem Motto "Mein Gott ist besser als deiner". Alle drei abrahamitischen Religionen tragen diese Versuchung in sich, weil sie mit einem exklusiven Wahrheitsanspruch operieren: Gott hat gesprochen, und zwar hier und so. Wenn dieser Anspruch von der Ethik (Treue, Gerechtigkeit, Liebe) abgelöst und ins Politische übersetzt wird, verwandelt er sich in ein Zeichen der Zugehörigkeit. Das Ergebnis ist das, was Jan Assmann „mosaische Unterscheidung“ nennt: Trennung zwischen wahr/falsch, heilig/profan — die gewaltige kulturelle Dynamik erzeugt, aber auch Intoleranz nährt.

Religion zwischen Macht und Offenheit

Es stimmt also: Das absolute Gute ließe sich immer instrumentalisieren, weil es keinen äußerlichen Maßstab mehr kennt. Aber zugleich wird alles "befohlene" Gute zur Bosheit, während befohlene Bosheit nicht besser wird und insgesamt nur Verkommenheit ist. Mystische und prophetische Strömungen (etwa Etty Hillesum, Meister Eckhart, Rumi) betonen deshalb die innere Entleerung: Jeder Versuch, Gott zu „haben“, entheiligt ihn. Absolutheit führt, wenn sie ideologisch wird, unweigerlich zur Totalität.

Allgemeine Reflexion der politischen Bewegungen in USA

In der aktuellen US‑Politik lassen sich viele dieser Kritikpunkte an den abrahamitischen Religionen in verdichteter Form beobachten: Religiöser Wahrheitsanspruch wird zur Identitätsmarke („wir“ gegen „die“), Reinheits- und Ordnungsvorstellungen werden politisiert, und im Namen Gottes wird Politik moralisch absolut gesetzt. Das schafft ein starkes totalitäres Potenzial, auch wenn die USA formal eine Verfassung mit strikter Trennung von Staat und Religion haben.

Christlicher Nationalismus und Identität

In den USA hat sich in den letzten Jahren ein christlicher Nationalismus verstärkt, der „amerikanische Identität“ eng mit einem konservativ-evangelikalen Christentum verknüpft. Religion fungiert hier weniger als Raum für Selbstkritik und Transzendenz, sondern als politisches Abgrenzungs- und Loyalitätssymbol („echte Amerikaner“, „Gottes Volk“, „against the others“).

Reinheit, Moral und Ausschluss

Politische Programme setzen „christliche Werte“ oft gleich mit restriktiven Positionen zu Abtreibung, LGBTQ‑Rechten und Geschlechterrollen; das Muster: Reinheit der Familie/Nation gegen eine vermeintlich „verdorbene“ liberale Kultur. Projekte wie „Project 2025“ zeigen, wie eine konservativ-christliche Moralagenda in staatliche Strukturen geschrieben werden soll, mit dem Ziel, gesellschaftliche Pluralität zugunsten einer religiös codierten Ordnung zurückzudrängen.

Gott als Legitimationsformel

Politische Akteure berufen sich explizit auf Gott („In God We Trust“, Gebete bei Wahlkampfevents, quasi-messianische Selbstdarstellung), wodurch politische Entscheidungen als Ausdruck göttlichen Willens aufgeladen werden. Damit verschiebt sich Religion von einer Quelle möglicher Kritik am Staat zu einem Instrument der Herrschaftslegitimation und "Im Namen Gottes" scheint dann fast alles sagbar und machbar.

Totalitäres Potenzial – und Gegenkräfte

Absoluter Wahrheitsanspruch + identitäre Verknappung + Reinheitssemantik erzeugen in einer polarisierten Demokratie ein Klima, in dem Kompromiss als Verrat am Heiligen erscheint. Gleichzeitig gibt es starke Gegenkräfte: andere Kirchen, interreligiöse Bündnisse, säkulare Organisationen und Bürgerrechtsgruppen, die genau vor dieser religiös aufgeladenen Machtkonzentration warnen und auf Verfassung, Pluralismus und Religionsfreiheit pochen.

Analyse der politischen und libidinalen Ökonomie

Ein erster Blick in die USA durch das Prisma einer Schizoanalyse der Macht zeigt: Religion wird dort nicht als Irrtum bewertet, sondern als maschinelle Formation, die Begehren bündelt, kodiert und in Identität überführt.

Codieren und Decodieren

In der aktuellen US‑Medien‑ und Digitalkultur sieht man sehr gut, was Deleuze/Guattari mit Codierung und Decodierung meinen: Religiöse und politische Kräfte versuchen, die Ströme von Begehren, Angst, Wut und Hoffnung über Bilder, Slogans und Algorithmen in ein starres Identitätsschema zu pressen – und Gegenbewegungen versuchen, diese Festschreibungen wieder aufzulösen. In einem Deleuze/Guattari‑artigen Sinn:

Codierung macht die Welt scheinbar übersichtlich, aber rigide. Decodierung macht sie offener, aber auch unberechenbarer.

Wie US‑Medien und Religion codieren

Gerade im christlich‑nationalistischen Milieu in den USA (Fox‑Umfeld, rechte Influencer, Telegram, bestimmte YouTube‑Ökosysteme) passiert Folgendes:

Das sind hochverdichtete Codes: Identität, Nation, Religion, Männlichkeit werden in einem einzigen Meme verschaltet. Das Entscheidende: Hier wird Begehren nach Halt, Gemeinschaft und Bedeutung in eine bestimmte politische Form gezwungen.

Von religiösem Glauben zur Identitätsmaschine

In der Logik von Anti‑Ödipus ist Religion nicht einfach Ideologie, sondern eine Maschine der Produktion von Subjektivität.
Der amerikanische christliche Nationalismus produziert „Begehrensflüsse“, die durch den Slogan „God and Country“ gebündelt werden: Angst, Schutzbedürfnis, Stolz, Nostalgie, Erlösungssehnsucht. Diese werden nicht unterdrückt, sondern aktiv kanalisiert – in Kirchen, Medien, Wahlkampf‑Rituale. Religiöse Sprache verschaltet affektive Energien mit politischen Apparaten, um diese anzutreiben. Das erklärt, warum Argumente kaum wirken: Es geht nicht um Wahrheit, sondern um Affektökonomie.

„Project 2025“ als kodierende Maschine

Das von konservativen Thinktanks entwickelte „Project 2025“ kann im deleuzianischen Sinn als re‑kodierende Maschine gelesen werden: Ein Versuch, entfesselte gesellschaftliche Vielheit – sexuelle Vielfalt, kulturelle Pluralität, ökologische Bewegungen – wieder in eine „Einheits‑Signifikation“ zu zwingen: Gott → Familie → Nation → Ordnung.
Was hier geschieht, ist eine Re‑Territorialisierung: das Begehren soll wieder an feste Punkte rückgebunden werden, nach Jahren neoliberaler und digitaler Entgrenzung. Es ist also kein Widerspruch, dass dieselben Strömungen gleichzeitig radikalkapitalistisch und religiös argumentieren — sie versuchen, die Raserei der Märkte durch moralische Stabilität zu binden.

Der Anti‑ödipale Gegenzug: Deterritorialisierung mit Verantwortung

Eine „Überlegenheit“ im Sinn Deleuzes und Guattaris hieße nicht, eine Gegenideologie zu errichten, sondern die Bewegung selbst zu öffnen — das Fließen des Begehrens nicht zu dämonisieren, sondern kreativ zu gestalten. Das bedeutet:

Diese Bewegung ist „überlegen“, weil sie resilienter ist als totalitäre Maschinen: Sie klammert nicht fest, sondern wandelt sich. Sie braucht keine Reinheit, weil sie Intensität kennt. Das deleuzianische Fließen ist, ähnlich wie Heraklits panta rhei („alles fließt“), Bewegung ohne festen Ursprung oder Ziel — aber während Heraklit noch vom Werden als kosmischer Ordnung spricht, denkt Deleuze das Fließen ohne Logos: nicht als harmonisches Ganzes, sondern als offene, produktive Vielheit, in der Ordnung nur temporär entsteht.

Symbolische Umkehr

Deleuze und Guattari schreiben: „Das Begehren will die Revolution.“ Aber nicht, weil es zerstören will – sondern weil es nicht stillstehen kann. Wenn Religion zur Machtmaschine wird, ist die anti‑ödipale Antwort nicht Zerstörung der Religion, sondern Freisetzung der transversalen Energien, die sie kodiert hat: Gemeinschaft, Sinn, Musik, Vision. Es geht darum, aus den Apparaten Linien des Entweichens zu ziehen – Spiritualität ohne Zentrum, Verbundenheit ohne Identität, Rituale ohne Herrschaft.

Decodierende Gegenbewegungen

Gemessen an der Forderung nach etwas, das „überlegen, statt überheblich“ ist, wäre ein anti‑ödipaler Ansatz in der US‑Situation:

Überlegenheit heißt hier:

Das ist keine sanfte Mitte, sondern eine andere Radikalität: nicht die eine richtige Ordnung, sondern ein Netz von Ordnungen, das beständig neu verhandelbar bleibt. Eine nicht‑theologische, „überlegene“ Kritik heißt: nicht über etwas stehen, sondern darin besser fließen können. Der christliche Nationalismus fixiert Begehren; der Kapitalismus exploitiert es; der anti‑ödipale Gedanke löst es, ohne es zu verleugnen. Damit zeigt sich eine andere Form wirklichen menschlichen Innerlichkeit – nicht als moralische Reinheit, sondern als permanente Transformation.

Anti‑ödipal gedacht, sind die interessantesten Gegenkräfte nicht unbedingt „linke Gegenideologien“, sondern Praktiken, die Codes lockern:

Hier entsteht eine nicht‑totalitäre Machtform: Kollektive, die stark sind, ohne sich auf Reinheit oder eine einzige Wahrheit zu stützen.

"Make America Great Again" (MAGA)

Dieser Slogan ist gleichzeitig religiös, affektiv, ökonomisch und digital codiert. Er eignet sich hervorragend, um zu zeigen, wie ein Code funktioniert, wie er das Denken strukturiert – und wie man ihn im Anti‑Ödipus-Sinn decodieren kann.

Codierung: Wie der Slogan funktioniert

Der Satz „Make America Great Again“ ist kein rationaler Appell, sondern ein affektiver Code.
Er bündelt verschiedene Begehren in einem einzigen Zeichen:

Deleuze/Guattari würden sagen:
Der Slogan kodiert den Fluss des Begehrens – er bindet Angst (vor Verlust, Chaos) an ein Symbol der Reinheit („great America“), schafft damit ein territoriales Begehren: Heim, Sicherheit, Einheit.

Die mediale Maschine

Digitalkultur verstärkt diese Codierung:

Decodierung: Anti‑ödipale Gegenbewegung

Wie kann man diesen Code decodieren?

Semantische Öffnung

Man isoliert die affektiven Elemente (Nostalgie, Verlust, Stolz) und befreit sie von der festgelegten Symbolik.
Beispiel: Statt „Make America Great Again“ → „Mach deine Stadt, dein Kollektiv, dein Verhältnis groß(artig)“.
Das verschiebt den Fokus vom Mythos zur Praxis, von Nation zu Nähe.

Ironische Re‑Codierung

Künstlerische und popkulturelle Aneignungen (queer, migrantisch, humorvoll) sind eine Form der Gegencodierung:
„Make America Gay Again“ oder „Make Earth Great Again“ unterlaufen die Reinheitssemantik, öffnen Interpretationsräume, ohne frontal zu attackieren.

Neue Flüsse schaffen

Deleuzianisch gesprochen: Statt die alte Maschine frontal zu zerstören, erzeugt man neue Ströme des Begehrens, die interessanter sind als der alte Code.
Beispiel: Digitale Communities, die aus Fürsorge, Spiel und Kreativität soziale Bindung erzeugen, statt aus Feindbildern.

„God’s Plan for America“

Dieses Narrativ ist in der religiösen Rechten der USA seit den 2020ern eine zentrale mobilisierende Formel. Es verbindet Rhetorik, Religion, Algorithmus und Politik zu einer mächtigen Codierungsmaschine.

Codierung: Wie „God’s Plan for America“ funktioniert

Dieser Satz behauptet, dass Geschichte, Politik und nationale Identität Teil eines göttlichen Drehbuchs seien. Er kondensiert mehrere Ebenen von Begehren und Angst:

Deleuze/Guattari würden sagen: Hier wird das Begehren „rekodiert“ auf den Code „Sinn durch Autorität“. Das Strömen (Ungewissheit, Pluralismus) wird in den festen Apparat Gott–Nation–Macht gezwungen.

Die digitale Maschine dahinter

In sozialen Medien ist das Narrativ eine algorithmische Kondensationsfigur:

So entsteht, was Deleuze/Guattari eine maschinische Assemblage nennen: menschliche Affekte, Technik, Kapital und Religion bilden ein sich selbst verstärkendes System.

Decodierende Praxis: Linien des Entweichens

Wie kann man diesen Mechanismus entschärfen, ohne selbst in Überheblichkeit oder Gegen‑Dogma zu kippen?

a) Dekodierung durch Differenzierung

Man zerlegt die Formel in ihre Bestandteile:

b) Affekt-Umleitung

Das gleiche Bedürfnis nach Sinn und Gemeinschaft kann auf andere Rhythmen umgeleitet werden – etwa kollektives Lernen, ökologische Praxis, Care‑Arbeit, Kunst.
Begehren verliert nie Energie, aber man kann seine Richtung ändern. Das ist die konstruktive Decodierung: nicht zerstören, sondern umleiten.

c) Ästhetische Sabotage

Künstlerische Projekte, die religiöse Sprache ironisch, zärtlich oder hybrid benutzen (etwa die „Post‑Evangelical“-Memeszene oder queere Predigtformate), erzeugen Re‑Codierungen, in denen „Gott“ nicht Macht, sondern Möglichkeit bedeutet. Sie unterlaufen den Code von Sendung und Reinheit mit Ambiguität und Spiel.

Überlegenheit als Offenheit

In der Sprache Anti‑Ödipus’: Dagegen hilft kein Gegencode („Es gibt keinen Plan“), sondern eine großzügigere Maschine – eine, die mehr Flüsse zulässt.
Das wirklich Überlegene ist nicht, Recht zu haben, sondern die Fähigkeit,

So entsteht eine „Ethik des Fließens“: Überlegenheit als Kapazität zu Übergängen, nicht zu Herrschaft.

Wie Kapital, Religion und digitale Technologien gemeinsam eine „Glaubensökonomie“ erzeugen

Die Assemblage: Kapital + Religion + Tech

Kapital decodiert traditionelle Codes (Familie, Nation), um sie rekodiert als Waren zu verkaufen – Religion und Tech beschleunigen das:

Codierung der Ökonomie

Decodierung: Ökonomische Linien des Flusses


Kann man alles programmieren: Pray.com

Pray.com ist eine der erfolgreichsten religiösen Plattformen in den USA. Sie verbindet Religion, Kapital und Technologie auf anti‑ödipal geradezu exemplarische Weise.

Codierung: Wie Pray.com das Begehren formt

So bildet sich eine neue Maschine des Glaubens: religiöse Sprache als Interface, ökonomische Infrastruktur als Körper.

Algorithmische Theologie

In Anti‑Ödipus-Begriffen ließe sich sagen: Pray.com betreibt eine obsessive Re‑Territorialisierung des schizoiden digitalen Fließens. Das Internet entfesselt ursprünglich ungerichtete Informationsströme – aber hier werden sie an einen Code rückgebunden: Gott‑App‑Identität. Der algorithmische Prozess codiert Begehren:

Decodierende Möglichkeiten

Wie ließe sich diese Formation öffnen, ohne in einen moralisierenden Anti‑Tech‑Gestus zu verfallen?

  1. Dekodierung des Heilsversprechens: Statt Digitalisierung des Gebets → Vernetzung realer Communities, die digitale Tools für konkrete Solidarität nutzen (Spenden, gegenseitige Hilfe, kollektive Fürsorge).
  2. Affekt‑Recycling: Angst oder Einsamkeit – Haupttriebkräfte dieser Apps – werden nicht pathologisiert, sondern kreativ umgeleitet: Kunst, Gespräche, gemeinsames Kochen, statt datenbasiertes Trost‑Abo.
  3. Technologische Linien des Entweichens: Open‑Source‑Projekte, die Spiritualität ohne Eigentumskodierung ermöglichen – etwa freie Meditations‑Plattformen oder nicht‑kommerzielle Gebetsräume.

Religiöse Plattformökonomie als „heiliger Kapitalismus“

Kapital, Religion und Datenökonomie verschmelzen hier zu einer digitalen Glaubensökonomie, die genau das Problem von Absolutismus und Totalitarismus zeigt:

Das Göttliche wird funktionalisiert als Mittel zur Identitätsbildung – „Mein Gott, meine App, mein Profil“. Im anti‑ödipalen Sinn überwindet man das nicht durch Zerstörung, sondern durch Überfluss: mehr Wege zu beten, mehr Räume des Sinns, mehr Ungewissheit zulassen. Das Überlegene ist nicht der neue Code, sondern der Mut zum Fluss ohne Plan.

Die Glaubensökonomie (wie Pray.com, Megachurch-Plattformen oder christliche Influencer-Netzwerke) und die Datenökonomie (Meta, X, TikTok usw.) sind heute keine getrennten Sphären mehr, sondern zwei Gesichter derselben Logik: Beide verwandeln Begehren in Daten, und beide codieren diese Daten in Formen von Zugehörigkeit, Loyalität und Wiederholung.

Parallele Strukturen: Gebet und Like

Wenn man Anti‑Ödipus ernst nimmt, sind „Gott“ und „Kapital“ gleichartige Signifikanten – leere, alles absorbierende Zentren, die das Fließen von Energie in geordnete Bahnen zwingen. Deleuze und Guattari nennen das „axiomatische Maschinen“.

Ebene Glaubensökonomie Datenökonomie
Affekt Sehnsucht nach Sinn, Erlösung, Reinheit Wunsch nach Anerkennung, Sichtbarkeit, Zugehörigkeit
Ritual Beten, Predigen, Spenden Scrollen, Liken, Posten
Symbolischer Code Gott, Plan, Mission Algorithmus, Ranking, Trend
Versprechen Ewiges Leben, Heil, Liebe Reichweite, Likes, Follower
Belohnungssystem Göttlicher Segen Dopamin & soziale Bestätigung

Beide Systeme behaupten Transzendenz, aber funktionieren immanent: Du gibst Input → du bekommst Segen / Sichtbarkeit.

Gemeinsame Logik: Codierung des Begehrens

  1. Quantifizierung des Qualitativen: Sowohl Religion als auch Social Media übersetzen Emotion in Zahl – Anzahl der Gebete, Spenden, Likes. Das qualitative „Erlebnis des Heiligen“ oder der Verbundenheit wird in Kennziffern verwandelt.
  2. Personalisierung: Die Plattform kennt dich besser als du dich selbst; der „Algorithmus“ spielt die Rolle des göttlichen Plans – allwissend, unsichtbar, gerecht (angeblich).
  3. Re‑Territorialisierung: Während das Netz eigentlich grenzenlos fließt, fixieren beide Maschinen Identität: „Du bist Christ / Patriot / Influencer / Believer“.

In anti‑ödipaler Sprache: Der Kapitalismus hebt alle territorialen Grenzen auf (Deterritorialisierung), nur um im nächsten Moment neue Territorien aus Angst, Moral und Habitus zu errichten. Religion und Tech liefern dafür die Codes.

Warum es funktioniert: Affektökonomie

Insofern ist die Tech‑Industrie nicht säkularisiert, sondern führt nur die Religionsmaschine weiter – als neue Form von Beichte, Kult und Offenbarung, diesmal unter neoliberalen Vorzeichen. So wirken digitale Plattformen arboreszent: Die zentralen Konzerne (Meta, Google) kodieren Begehren in Aufmerksamkeitsökonomie, territorialisieren nomadische Flüsse und erzeugen Prekarität. Rhizomatische Potenziale (virale Bewegungen) werden schnell rekodiert. Einsamkeit steigt, Polarisierung wächst, doch Gegenbewegungen wie dezentrale Plattformen (Mastodon) oder Hackerspaces könnten rhizomatisch vernetzen.

Decodierende Perspektive: Überlegenheit statt Widerstand

Eine anti‑ödipale oder „überlegene“ Haltung bedeutet hier nicht Kampf gegen Plattformen, sondern intelligente Unterwanderung:

In dieser Weltsicht ist Überlegenheit das Vermögen, Flüsse zu eröffnen, die der Apparat nicht einkapseln kann – das Gegenteil von Überheblichkeit.

Der digitale "heilige" Krieg

Diese wirkt Logik in der politischen Polarisierung der USA — also darauf, wie religiös‑ökonomische Codierungsmechanismen (Kapital + Glaube + Tech) in tatsächliche politische Mobilisierung übersetzt werden.

Die Codierung der Polarisierung

In der Sprache von Anti‑Ödipus: Das Begehren, das ursprünglich frei fließt (Sorge, Angst, Wut, Hoffnung), wird von verschiedenen Apparaten gebündelt und neu territorialisiert. In der US‑Politik geschieht das heute durch eine doppelte Maschine:

Der Effekt: Glaube, nationale Identität und algorithmische Logik verschalten sich zu einer affektiven Infrastruktur, in der politischer Streit als Erlösungskrieg erlebt wird.

QAnon als paradigmatisches Beispiel

QAnon ist Anti‑Ödipus in düsterer Umkehrung: eine Schizo‑Produktion, die rekodiert wurde, statt befreit zu bleiben.

Begehren nach Sinn, Zugehörigkeit und „geheimem Wissen“ wird in ein geschlossenes System verwandelt. Das ist repressive Desublimierung: Das Begehren fühlt sich frei, während es total gebunden ist.

Wahlkampf als Erregungsregime

Die Begriffe „spiritueller Krieg“ oder „Gottes Auftrag“ werden in Kampagnen gezielt genutzt, um Angst vor Chaos, Gender‑Politik oder Migration zu instrumentalisieren.
Plattformdaten zeigen, dass religiös aufgeladene Narrative die höchste Engagement‑Rate haben – sie wirken wie digitale Sakramente, die Zugehörigkeit performen.

Begehren wird monetarisiert, Moral wird algorithmisiert, Politik wird liturgisch.

Das bedeutet: Wahlkampf ist nicht mehr Überzeugung, sondern affektives Ritual. Likes sind Gebete, Follower sind Jünger, das Teilen eines Clips wird zur Glaubenshandlung.

Decodierende Gegenräume

Anti‑ödipal gedacht, lässt sich Polarisierung nicht durch „Faktenchecks“ oder Moral brechen, sondern nur durch neue Flüsse des Begehrens:

  1. Transversale Medienpraxis: Plattform‑Überläufe – hybride Räume, die Kunst, Spiel, Gespräch verbinden, anstatt Identität zu fixieren.
  2. Ironische Prophetie: Humor und absurde Überzeichnung („schizo‑memes“, Kunstaktionen) decodieren die sakrale Ernsthaftigkeit, indem sie Begehren ins Offene drehen.
  3. Affekt‑Selbstverwaltung: Emotionen als Rohstoff, nicht als Waffe. Bildung, Therapie, Kunst können Affekte re‑codieren, sodass sie sich nicht mehr gegen Andere richten müssen.

Das ist kein „dritter Weg“, sondern eine andere Ökonomie der Energie. Im alten religiösen Schema herrscht Transzendenz: ein Gott, ein Gesetz, ein Ziel.
In der heutigen digitalen Religion des Kapitals herrscht Immanenz, aber als Käfig: alles fließt – in proprietären Kanälen.

Die überlegene Haltung, wäre also:
das Fließen selbst zu befreien, ohne es zu lenken.

Das hieße, soziale Formen zu schaffen, in denen Begehren nicht zur Identität kristallisiert, sondern in Beziehung bleibt — flüchtig, durchlässig, lebendig.

Nicht-totalitäre Begehrensmaschinen am Beispiel ökologischer oder klimabezogene Bewegungen

Die Bewegung Standing Rock (2016–heute), also der indigenen Widerstand gegen die Dakota Access Pipeline in North Dakota, der sich zu einem globalen Symbol des ökologischen und spirituellen Widerstands entwickelte, zeigt in exemplarischer Weise, wie sich Begehren, Spiritualität, Gemeinschaft und Technologie jenseits totalitärer Strukturen verschalten lassen – eine anti‑ödipale Ökologie in Aktion.

Kontext: Von der Pipeline zum Planetencode

Offiziell ging es bei Standing Rock um den Schutz heiligen Landes und Wassers vor einer Ölpipeline.
Aber unter der Oberfläche geschah etwas Tieferes:

Hier entwickelte sich ein neuer „Code des Lebens“: Wasser = Lebendigkeit = Verwandtschaft – kein Signifikant, der fixiert, sondern einer, der erweitert. Jeder konnte ihn bewohnen.

Anti‑ödipale Struktur

Nach Deleuze/Guattari ließe sich Standing Rock als rhizomatisches Netz verstehen:

Das war Begehren in Bewegung – weder Ödipus (Vater, Sohn, Gesetz) noch Kapital (Ware, Profit, Schuld), sondern Leben‑in‑Relation.

Digitale Affektpolitik

Social Media waren hier nicht Code‑Maschinen im repressiven Sinn, sondern Verstärker für affektive Resonanz:
Bilder von Frauen im Wasser, Betende im Wind, Trommeln bei Nacht – sie erzeugten kein Dogma, sondern Emotion, die zu globaler Empathie führte. Die Decodierung funktionierte über Affekt statt Argument: Wasser wurde Symbol nicht durch Bedeutung, sondern durch Spüren. Deleuze hätte gesagt: „Intensität ohne Repräsentation.“. Das ist der Unterschied zu MAGA‑Religiosität: dort Identität, hier Relation.

Re‑Territorialisierung im Positiven

Trotz ihrer Fluidität erzeugte die Bewegung neue Territorien des Sinns:

Aber diese Territorien blieben porös: Sie schließen nichts aus, sie laden ein. Man könnte sagen, Standing Rock zeigt eine milde Re‑Territorialisierung, die Stabilität bietet, ohne Totalität zu erzeugen.

Überlegenheit durch Durchlässigkeit

Im Vergleich zu religiös‑nationalen Machtblöcken zeigt Standing Rock:

Das Begehren bleibt transvers, vernetzt, transformierend – es schafft Sinn, ohne Gott oder Markt zu brauchen. Man könnte sagen: Die Erde ersetzt den großen Signifikanten durch Immanenz des Lebens – sie ist der Punkt, an dem Anti‑Ödipus und indigene Kosmologie sich berühren.

ESG-Diskurse: Von Codierung zu Decodierung

Die Form des ökologischen Begehrens, wie sie in Standing Rock oder ähnlichen Bewegungen sichtbar wird – rhizomatisch, relational, immanent –, nimmt bereits spürbaren Einfluss auf westliche Ökonomie und Kulturpolitik, indem sie starre Wachstums- und Identitätsmodelle(./Abwende.html) durch dezentrale, prozessuale Alternativen herausfordert.

ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) repräsentieren einen Versuch, ökologisches Begehren in den Kapitalismus zu integrieren: Investoren priorisieren nun nachhaltige Unternehmen, was 2025 zu Milliardenumsätzen in grünen Fonds führt. Allerdings decodiert diese Praxis den alten Profitcode – Ressourcenverbrauch wird nicht mehr tabu, sondern quantifiziert und umgeleitet. Kritik entsteht, wenn ESG zu Greenwashing kippt, was Bewegungen wie Degrowth nutzen, um strengere, nicht-monetäre Maßstäbe zu fordern.

Kunstpraktiken: Affektive Transformation

Künstlerische Interventionen, etwa von Agnes Denes (Wheatfield) oder zeitgenössischen Collectives wie Futurefarmers, machen ökologisches Fließen erfahrbar: Sie schaffen temporäre Gärten, Performances oder Apps, die Natur nicht als Objekt, sondern als Begehrensnetz zeigen. In der Kulturpolitik wirkt das durch Förderprogramme (z.B. EU Creative Europe), die 2025 Kunst als "sozial-ökologische Labor" subventionieren – weg von Monumentalität hin zu relationalen Praktiken, die Begehren dezentralisieren.

Nachhaltige Gemeingüter-Modelle: Neue Ökonomien des Flusses

Modelle wie Community Land Trusts oder Doughnut Economics (Kate Raworth) breiten sich aus: In Städten wie Brüssel oder Barcelona werden Ressourcen (Land, Wasser) als Commons verwaltet, was 2025 zu hunderten lokalen Initiativen führt. Das ist anti-ödipale Ökonomie pur – kein zentraler Staat oder Markt als Signifikant, sondern Netzwerke, die Begehren nach Sicherheit in kollektive Pflege umwandeln. Kulturpolitisch drückt sich das in Gesetzen aus, die Genossenschaften begünstigen und Wachstum entkoppeln.

Diese Einflüsse sind "überlegen", weil sie mehr Verbindungen schaffen, ohne Totalität zu erzwingen – ein rhizomatisches Gegenstück zu MAGA oder Tech-Monopolen.

Ein anti-ödipaler Blick nach Europa

Beim Blick auf das Zusammenspiel von Ökologie, Kultur und Ökonomie, zeigt sich ein interessanter, fast paradoxaler Prozess: Europa versucht, ökologisches Begehren zu institutionalisieren, ohne es zu ersticken. Die Kontinuität vom dezentralen Begehren (Klima‑, Commons‑, Kunstbewegungen) zur staatlich‑regulierten „grünen Moderne“ zeichnet ein Labor der zivilisierten Decodierung.

Ökonomische Ebene: Die Europäische „Regeneratorik“

Kulturelle Ebene: Kunst als ökologische Maschine


Politische Ebene: Europa als Versuch von „Deterritorialisierung mit Regeln“

Europa befindet sich in einer dauerhaften Spannung: Es will Fließen ermöglichen, aber ohne Chaos.

Anti‑ödipal betrachtet, ist Europa hier ein Projekt der kontrollierten Offenheit:
Es deterritorialisiert von Nationalstaat und Kapitalismus, reterritorialisiert aber auf der Ebene von Regeln, Rechten und Verfahren.

Man könnte sagen: Die EU ist der Versuch, Flüsse zu verrechtlichen, ohne sie zu dämmen.

Spiritualität ohne Transzendenz

Ein weiterer europäischer Zug ist die Entstehung säkular‑spiritueller Bewegungen – z. B. ökofeministische Rituale, Natur‑Therapie oder Klima‑Trauergruppen.
Hier findet eine anthropologische Dekodierung statt: das Heilige taucht nicht mehr in Kirchen auf, sondern in kollektiven Praktiken von Sorge und Wiederverbindung.

Das ist Europas stille Antwort auf den US‑Fundamentalismus: keine neue Religion, sondern immanente Spiritualität.

Europa betreibt heute eine institutionalisierte Schizoanalyse:

Das ist fragil und nicht widerspruchsfrei – aber es ist genau die Art von „überlegener Offenheit“, die zuvor beschrieben wurde:
mehr Netzwerke, weniger Dogmen; mehr Fluss, weniger Macht.

Europa, USA und Asien im anti-ödipalen Vergleich

Der Blick ist ein Versuch, zu erkennen, welche Formen des Begehrens, der Codierung und der Offenheit dort jeweils dominieren, und wie sich daraus unterschiedliche ökonomische, kulturelle und politische Dynamiken ergeben.

Region Motor des Begehrens Codierungsform Beispielhafte Maschine Grad der Offenheit
USA Sehnsucht nach Erlösung & Identität Affekt-Algorithmus MAGA, Social Media niedrig–mittel
Europa Suche nach kooperativer Nachhaltigkeit Recht, Commons, Bürokratie EU‑Green Deal, Bauhaus mittel–hoch
Asien Streben nach Harmonie & Effizienz Technologische Steuerung Smart City, Kreislaufwirtschaft mittel

Vereinigte Staaten: Begehren als Wiederholung

Grundform:

Codierung:

Offenheit:

Motto: Freiheit als Drehkreuz des Begehrens – immer verfügbar, nie frei.

Europa: Begehren als Regulierung

Grundform:

Codierung:

Offenheit:

Motto: Freiheit nur als gemeinsam ausgehandelter Prozess – langsam, aber lernfähig.

Asien: Begehren als Synchronisation

Grundform:

Codierung:

Offenheit:

Motto: Fließen, aber synchronisiert – der Strom darf nicht reißen.

Anti‑ödipale Deutung: Drei Weisen des Flusses

Das überlegene Potenzial läge vielleicht in einer transversalen Verbindung:
ein globaler Plan der Immanenz, der amerikas Kreativität, europas Regulierung und asiens Synchronisationskraft mischt –
ohne neuen großen Signifikanten, mit maximaler Fähigkeit zum Werden.

Synthese zur Geopolitik des Begehrens

Dies ist eine Sicht, die nicht von Territorialität, Militär oder Ressourcen ausgeht, sondern davon, wie kollektives Begehren geformt, gelenkt und verkörpert wird.

Vom Machtblock zur Affektökonomie

Die klassische Geopolitik (mit Nationalstaaten, Koalitionen, Grenzen) wird schrittweise von Affektregimen ersetzt: Systeme, die nicht Länder, sondern Emotionen, Aufmerksamkeit, Zugehörigkeiten verwalten.

Diese drei zusammen determinieren, wie planetarisches Begehren geformt wird – und in welcher Sprache Menschen Zukunft überhaupt denken können.

Neue Machtformen

a) Affekt‑Imperien:
Wer Aufmerksamkeit, Angst und Hoffnung algorithmisch steuern kann, dominiert kulturell und politisch. Darin sind die USA weiterhin führend.

b) Norm‑Hegemonien:
Europa exportiert Standards (CO₂‑Zölle, Datenschutz, ESG), die reale Macht entfalten, gerade weil sie scheinbar „moralisch“ sind.

c) Sensorische Infrastrukturen:
Asien kontrolliert Produktions‑ und Überwachungsnetzwerke, in denen Körper, Daten und Umwelt synchronisiert werden – eine „Kyber‑Governance“.

Diese Machtformen überschneiden sich, statt sich zu bekämpfen: Sie bilden ein planetarisches Netz, in dem kein Zentrum mehr sagt, was gut ist, sondern jede Region einen spezifischen Begehrenston setzt.

Anti‑ödipale Perspektive

Deleuze/Guattari hätten gesagt:
Wir erleben die letzte Stufe der „axiomatischen Weltmaschine“ – alles fließt, aber in berechenbaren Bahnen.
Das Begehren bleibt das Rohmaterial globaler Politik.

Doch genau dort liegt die Chance:
Das Schizoide, das unkontrollierbare „Noch‑nicht‑Benannte“, wirkt als Gegenmacht.
Neue ökologische, indigene, künstlerische, feministische Bewegungen schaffen Linien des Entweichens, über die Leben aus jenen Maschinen in Resonanz‑Netze übergeht.

Zukunftsbild: Drei Szenarien des Begehrens

Szenario Beschreibung Risiko Möglichkeit
Planet der Codes Vollständige Standardisierung durch ESG, KI‑Governance, Sicherheitssysteme. Verlust von Spontaneität und kultureller Vielfalt. Stabilität, aber steril.
Flut der Affekte Entgrenzte digitale Erregung, Dauerkrisenmodus. Erschöpfung, Gewalt, Simulation statt Erfahrung. Kreativitätsexplosion, wenn offen genutzt.
Rhizomatische Erde Netzwerke lokaler, ökologischer, künstlerischer Verbundenheit. Fragmentierung, langsames Tempo. Nachhaltige Resonanz, „Überlegenheit des Offenen“.

Die wahrscheinliche Zukunft ist hybrid: institutionalisierte Offenheit.
Weltpolitik wird kein Schachbrett mehr, sondern ein Ökosystem diffuser Ströme – eine schizo‑politische Topologie.

Schlussgedanke

Die kommende Epoche entscheidet sich nicht zwischen Kapitalismus oder Sozialismus, Ost oder West, sondern zwischen zwei Weisen des Begehrens:

Die wahre politische Frage lautet daher:
Wer darf fließen – und wer muss sich verfestigen?

Oder in anti‑ödipaler Sprache:
Zukunft beginnt dort, wo das Leben nicht mehr nach Erlösung fragt,
sondern nach Resonanz im Werden.

Quellen


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